Tiffany Duo Band 0162
Schrei aus, schlug sich die Hände vors Gesicht und ging in die Knie. Da sie wusste, dass dies wahrscheinlich ihre einzige Chance auf Entkommen war, zögerte sie keine Sekunde.
Sie hastete durch die Hintertür nach draußen. Obwohl es sie wertvolle Zeit kostete, packte sie einen der schweren Liegestühle, die auf der Hinterveranda standen, und klemmte ihn als weitere Verzögerungstaktik unter die Türklinke, dann rannte sie los.
Der Regen war noch stärker geworden, und schon nach ein paar Metern war sie bis auf die Haut durchnässt. Als sie die Einfahrt erreicht hatte, sah sie, dass Wade sein Pferd an einem Pfosten neben der Einfahrt festgebunden hatte, offenbar hatte er vorgehabt auszureiten.
Der Hengst scheute, als diese fremde pudelnasse Frau aus dem Nichts auf ihn zugerannt kam. Er wieherte und tänzelte nervös herum, aber Cassie hatte nicht umsonst ihr ganzes Leben mit Pferden verbracht. Sie griff nach den Zügeln und sprach beruhigend auf das Tier ein.
Nachdem sie den Hengst schließlich unter Kontrolle hatte, schwang sie sich in den Sattel. Obwohl die Steigbügel zu lang waren, drückte sie ihm die Absätze in die Flanken. Das Pferd verstand sofort und galoppierte los.
Cassie schlug keine bestimmte Richtung ein, sie wusste nichts, außer dass sie dem grausigen Schicksal entkommen wollte, das Wade ihr zugedacht hatte. Doch schon wenig später wurde ihr klar, welches Ziel sie unbewusst ansteuerte.
Die Lost Creek.
Dort würde sie in Sicherheit sein.
Bei Zack.
Es war vorbei.
Zack, der noch nicht bereit war, schon wieder umzukehren, ritt trotz des strömenden Regens den Pfad oberhalb der Lost Creek noch ein bisschen weiter hinauf. Er wollte noch einen letzten Blick auf den Ort werfen, der ihm mittlerweile so viel bedeutete – die strahlende Zukunft, die für ein paar wertvolle Augenblicke zum Greifen nah gewesen war, bevor sie ihm unter den Händen zerbröselt war.
Obwohl Jesse Harte ihn angewiesen hatte, die Stadt vorerst nicht zu verlassen, war er entschlossen, morgen zu fahren. Um alles Weitere würden sich seine Anwälte kümmern. So lange der Staatsanwalt keine ausreichenden Beweise hatte, um Anklage zu erheben, hatte Jesse keine rechtliche Handhabe, ihn hier festzuhalten.
Er konnte unmöglich noch länger bleiben.
Er hielt es einfach nicht aus, Cassie so nah zu sein und gleichzeitig zu wissen, dass sie dort hinter den Bäumen für diesen Dreckskerl Lowry arbeitete. Nur ein paar Meilen entfernt, aber für immer außerhalb seiner Reichweite.
Eine kurze magische Zeit lang war sie wieder sein gewesen. Vor ihm hatte eine glückliche Zukunft gelegen, es hatte so ausgesehen, als ob am Ende alle seine Wünsche doch noch in Erfüllung gehen sollten. Aber er hätte wissen müssen, dass es auch diesmal nicht klappen würde. Es war ein Wunschtraum gewesen, ein flüchtiger Blick auf etwas, das er nie bekommen würde.
Die Geschichte schien sich zu wiederholen. Er hatte Cassie vor einem Jahrzehnt verlassen, um sie zu beschützen. Und jetzt sah er keinen anderen Weg, als dasselbe noch einmal zu tun.
Wieder deutete alles darauf hin, dass man versuchen würde, ihm ein Verbrechen zur Last zu legen, das er nicht begangen hatte – diesmal einen heimtückischen Mord an einem Mitglied ihrer Familie – eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, angesichts derer er sich danach sehnte, den höchsten Punkt der Umgebung zu erklimmen, um seine Faust gen Himmel zu recken.
So nah, zum Greifen nah hatte sein Glück vor ihm gelegen.
Und jetzt hatte er nichts mehr. Weniger als nichts. Ein paar Erinnerungen, die ihm ins Herz schnitten wie eine Rasierklinge.
Er atmete tief durch und stieg an einer Stelle, die es erlaubte, durch die Bäume ins Tal zu schauen, vom Pferd ab. Unter ihm breitete sich Star Valley aus, umgeben von riesigen Flächen saftiggrünen Weidelands und zahllosen Ranches.
Ein Ort, an dem er immer ein Außenseiter bleiben würde.
Sein Aufenthalt hier war ein kurzes wunderschönes Intermezzo gewesen, dem kein Happy End beschieden war, und jetzt musste er wieder in sein wirkliches Leben zurückkehren.
In sein einsames, leeres, farbloses Leben.
Was für ein Durcheinander. Nach einem weiteren Stoßseufzer schwang er sich wieder in den Sattel, warf noch einen letzten langen Blick auf das vom Regen reingewaschene Tal und befahl dann seinem Pferd, kehrtzumachen.
Er war erst hundert Meter geritten, als er ein Stück vor sich ein lautes Knacken im Unterholz hörte. Er überlegte gerade, ob es sich wohl um einen
Weitere Kostenlose Bücher