Tiffany Duo Band 0162
verwirrenden Fantasien beiseite und öffnete die Tür.
Als Sarah sich zu ihm umdrehte, weiteten sich ihre Augen. Ah. Interessant. Und warum kroch ihr eine leise Röte in die Wangen, während sich ihre Atemzüge ganz leicht beschleunigten?
Bevor er seine detektivischen Fähigkeiten darauf verwenden konnte, die Ursache dafür herauszufinden, wurde er attackiert. Lucy und Dylan stürzten sich auf ihn, schlangen ihre Arme um ihn und schnatterten wie zwei Äffchen im Zoo.
“Onkel Jess! Was machst du in der Schule? Wie lange bleibst du? Gehst du in der Pause irgendwo mit uns essen? Dürfen wir nach der Schule wieder zu dir ins Büro kommen?”
Er öffnete den Mund, um irgendeine der Fragen als erste zu beantworten, aber Miss McKenzie kam ihm zuvor, indem sie sagte: “Mädchen, ich verstehe eure Aufregung, und ich bin mir sicher, dass der Besuch eures Onkels für uns alle eine große Ehre ist, aber ihr müsst euch jetzt trotzdem wieder setzen.”
Jesse zog überrascht die Augenbrauen hoch, als er sah, dass die beiden gehorsam kehrtmachten und wieder auf ihre Plätze zurücktrabten. Wow. Die Frau verstand es offenbar, sich durchzusetzen. Wer hätte das gedacht?
“Können wir Ihnen irgendwie behilflich sein, Chief Harte?”
Er war sich sehr sicher, dass ihn diese strenge Lehrerinnenstimme nicht so erregen sollte, vor allem nicht vor einer Klasse Viertklässler, die ihn neugierig beobachteten. Die Stimme sollte ihm nicht durch und durch gehen und sich in seinen unteren Regionen einnisten.
Er war ein echt schlimmer Junge, und die Vorstellung, Sarahs seidiges Haar aus dieser Spange zu ziehen und an ihrem Pullover ein oder zwei Knöpfe zu öffnen, einfach nur, um zu sehen, ob er noch ein bisschen mehr Farbe in diese honigfarben getönte Haut bringen konnte, reizte ihn weit mehr, als sie sollte.
Er war krank.
Er musste krank sein, wie hätte er sich sonst derart lüsternen Fantasien über eine süße schüchterne Lehrerin wie Sarah McKenzie hingeben können?
Jesse rief sich energisch zur Ordnung, verlagerte sein Gewicht und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Klasse. Die meisten der Schüler kannte er, zumindest vom Sehen. Ziemlich weit hinten entdeckte er Corey Sylvester, der allein saß und sehr abweisend wirkte. Der Junge begegnete wachsam seinem Blick, dann steckte er seine Nase wieder in das Buch, das aufgeschlagen vor ihm auf dem Tisch lag.
Verhielt er sich schuldbewusst oder einfach nur resigniert, weil er bereits ahnte, was gleich kommen würde? Jesse vermochte es nicht zu sagen.
Er drehte sich mit einem Lächeln wieder zu Sarah um und entdeckte zu seiner heimlichen Freude, dass sich die Röte in ihren Wangen noch ein bisschen vertiefte. “Entschuldigen Sie bitte, Miss McKenzie, aber dürfte ich vielleicht einen Moment stören?”
“Ich … natürlich.”
“Danke. Ich verspreche auch, mich kurz fassen, damit Sie so schnell wie möglich mit Ihrem Unterricht fortfahren können.”
“Mathe”, sagte seine Nichte Dylan mit einem angewiderten Aufseufzen. Der Hinweis war nicht zu überhören:
Lass dir ruhig Zeit. Wir haben nichts dagegen.
Er verkniff sich ein mitfühlendes Grinsen und drehte sich zur Klasse um.
“Ich nehme an, ihr habt alle gehört, dass letzte Nacht in der Schule eingebrochen und das Geld, das ihr für das Krankenhaus gesammelt habt, gestohlen wurde.”
Wie erwartet verliehen die Schüler ihrer Empörung mit Pfiffen und Buhrufen lautstark Ausdruck. Jesse ließ dabei Corey nicht aus den Augen. Falls ihn nicht alles täuschte, wirkte der Junge nicht weniger empört als seine Klassenkameraden.
Ein rothaariger Junge mit Sommersprossen – Paul Turners Sohn, glaubte er – meldete sich. “Haben Sie den Kerl schon geschnappt, Chief?”
“Noch nicht. Aber lange wird es nicht mehr dauern, das verspreche ich dir. Dafür brauche ich allerdings eure Hilfe.”
Jetzt meldete sich Jackie Allsop. “Haben Sie schon einen Polizeitrupp zusammengestellt?”
Wieder musste er sich ein Grinsen verkneifen. “So etwas Ähnliches. Ich finde es einfach nicht richtig, dass jemand einfach hier reinkommt und das Geld stiehlt, das ihr mit so viel Mühe gesammelt habt. Geld, mit dem ihr kranken Kindern helfen wolltet. Es ist nicht fair. Es macht mich wütend und sollte euch auch wütend machen.”
Wieder ertönten Buhrufe und Pfiffe. Aus dem Augenwinkel sah er, dass Sarah die Stirn runzelte. Bevor sie dazu kam, ihre Schüler zur Ordnung zu rufen, hob er eine Hand. Der Lärm legte sich augenblicklich.
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