Tiffany Duo Band 77
Lonnies Augen. Was wäre, wenn er ihr die Gespräche mit Victoria Wort für Wort wiedergab - würde sie auch das anzweifeln?
Er blickte in ihr Gesicht, sah ihren fragend-reservierten Ausdruck. Es schmerzte unbeschreiblich. Sein Herz schnürte sich zusammen.
„Du glaubst nicht an mich, nicht wahr?" hörte er sich sagen.
Der Schmerz war dem Gefühl ähnlich, das er bei seiner Mutter gehabt hatte - der Frau, die nie an ihn glaubte. Und es war haargenau dasselbe schreckliche Gefühl, das der kühle Abschiedsbrief seiner ersten Freundin auslöste.
Sam fühlte sich wie gelähmt, taub und dumpf, als wäre die Luft um ihn zu einer Eismauer gefroren.
Er wußte, er liebte Lonnie - sie war alles für ihn. Er liebte sie und wollte es ihr sagen. Aber zum erstenmal erkannte er, daß sie die Macht besaß, ihn zu verletzen. Sie konnte enttäuscht von ihm sein. Sie konnte ihn ausschließen. Sie konnte ihn verlassen.
Und seine Liebe zu ihr würde sich gegen ihn selbst kehren und ihn vernichten.
Er wollte ihr sagen, daß er sie liebte, aber er konnte nicht. Das Risiko war zu groß. Er hörte nicht Lonnies Beteuerungen, daß sie noch immer an ihn glaubte. Sein Herz war in einen Eisblock eingeschlossen, in eine gefrorene Festung, in die keine Worte eindrangen.
„Lonnie... ich kann nichts erklären", brachte er heraus und wußte daß es für sie keinen Sinn machte. „Es ist nicht Victoria. Bitte, versuch zu verstehen, ich muß nachdenken." Er wandte sich um und ging fort. Ein paar Stunden allein, und er hätte seine konfusen Gefühle geordnet. So dachte Sam, als er mit langen Schritten den Flur entlang auf die Treppe zuging, die in die untere Halle und zum Ausgang führte.
Er sah nicht, daß Lonnie mit Tränen in den Augen zurückblieb, spürte nicht, daß jeder Schritt, den er sich von ihr entfernte, ein Stich in ihr Herz und ihre Seele war. Schon gar nicht bemerkte Sam den Mann, der ihm im Korridor entgegenkam.
„Triver, alter Junge, gut, daß ich Sie erwische. Möchte nicht versäumen, Ihnen zur Thronbesteigung zu gratulieren."
„Danke. Entschuldigen Sie, Carlton, ich habe für eine Unterhaltung keine Zeit."
Sam wollte weitergehen, aber Bentley Carlton ließ sich nicht abwimmeln. „Das verstehe ich", sagte er beflissen, „nur eines noch. Falls Sie die Chefin der Anzeigenabteilung verlieren sollten, würde ich natürlich sofort in die Bresche springen. Mit meinen Erfahrungen und Kontakten kann ich der Zeitung zahlungskräftige Kunden bringen."
Sam blieb steif stehen. „Sagen Sie mal, Carlton, wovon reden Sie?"
Carlton lächelte verschlagen. „Wissen Sie es etwa noch nicht? Sie hat es doch schon allen ihren kleinen Freunden erzählt."
Sam hatte nicht den Nerv, Carltons Spielchen mitzuspielen. Er hatte diesen aalglatten Intriganten noch nie leiden können, und in seiner momentanen Verfassung hätte er ihn am liebsten an seinem kanariengelben Schlips gepackt und durchgeschüttelt. „Carlton", sagte er drohend langsam und zwischen zusammengepreßten Zähnen, „reden Sie endlich Klartext. Ich habe nicht die Geduld für Puzzlespiele."
Bentleys überlegener Ausdruck schwand für einen kurzen Moment.
Um zu demonstrieren, daß er sich nicht einschüchtern ließ, griff er in seine Jackentasche, nahm das silberne Zigarettenetui heraus, ließ es aufschnappen und wählte mit Bedacht eine Zigarette.
„Ihre Anzeigenchefin, Mr. Triver, wird Sie in Kürze verlassen."
„Woher wissen Sie das?"
„Ich sagte es bereits, jeder weiß es. Sie hat eine heruntergekommene Kneipe im Universitätsviertel gekauft und ist dabei, die Klitsche in einen Hillbilly-Saloon zu verwandeln. Übrigens hat sie ihren Freunden erzählt, Sie hätten ihr zu dem nötigen Geld verholfen. Die Defranco-Provision, verstehen Sie? Fragen Sie herum, wenn Sie mir nicht glauben. Fragen Sie sie selbst. Da kommt sie. Wenn man vom Teufel spricht..."
Sam fuhr herum und sah Lonnie herankommen. Wie verloren sie wirkte und wie traurig. Hatte sie geweint - um ihn?
Sam fühlte, wie der Schmerz wiederkam, schlimmer als vorher. Er wandte sich wieder zu Carlton. „Ich glaube Ihnen nicht", sagte er tonlos. Der Mann hatte gelogen. Es war zuviel, es zerstörte alles. Es konnte nur eine Lüge sein.
„Sam", rief Lonnie, „ich möchte mit dir reden."
„Fragen Sie sie", drängte Carlton.
„Mich fragen? Was?" Lonnie blickte zwischen den beiden Männern hin und her. Sie wußte, daß Sam nicht viel von Bentley Carlton hielt. Was hatte er mit ihm zu bereden? Und was
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