TIFFANY EXKLUSIV Band 05
teilen. Vor allem nachdem er gleich nach ihrer Ankunft großspurig verkündet hatte, wie kompetent und klug sie sei. Dann war da der schreckliche Begrüßungsdrink im Haupthaus gewesen, wo man ihnen Identitätsschilder an den Rücken geklebt hatte und Kyle herumlaufen und wildfremde kichernde Leute fragen musste: „Bin ich ein Mann?“
Trotzdem hätte er noch länger ahnungslos getan, wenn er gewusst hätte, was Rand mit denen vorhatte, die das Schild auf ihrem Rücken frühzeitig errieten. Für die hatte er nämlich ein dämliches Rollenspiel vorbereitet, bei dem verschiedene Kopfbedeckungen verschiedene Aspekte der Persönlichkeit des Kandidaten repräsentierten. Die anderen Mitspieler waren geradezu entzückt, sich mit Schlapphüten oder Samtbaretts schmücken zu können. Doch als Rand Kyle einen federgeschmückten violetten Hut mit der Bemerkung „Genau das Richtige für diejenigen, die sich zu ernst nehmen“ aufsetzen wollte, war ihm der Kragen geplatzt. Anscheinend hatte er dem Gruppenleiter Angst eingejagt, denn man händigte Kyle und Laura daraufhin eine Wanderausrüstung aus und schickte sie auf eine lange Wandertour. Und zwar so schnell, dass Kyle nicht einmal die Gelegenheit gehabt hatte, sich umzuziehen.
Es war schon eine Weile her, seit er zuletzt gewandert war. Aber dass es nicht besonders sinnvoll war, durch die Natur zu streifen und seine nackte Haut jedem stechenden Insekt und jedem Dornenstrauch im Hochland Georgias auszusetzen, wusste auch er so.
Während er den Kratzer inspizierte, fragte Laura: „Ich habe Jod in meinem Verbandskasten. Wollen Sie welches?“
Er wollte es. Aber so wie es Frauen gab, die nie gezwungen gewesen waren, ihre Bierflasche selbst zu öffnen, so hatte Kyle Sanders sich noch nie selbst um seine Verletzungen kümmern müssen. Er konnte nichts dagegen tun, dass die Frauen ihn offenbar gern bemutterten. Schon bei seiner Geburt hatten sich die Krankenschwestern begeistert um sein Bettchen geschart. Zu Hause hatte dann eine ältere Schwester auf ihn gewartet, die der Meinung war, Kyle sei die aufregendste Babypuppe, die je erfunden wurde. Seine Mom verwöhnte ihn wie einen jungen Sultan, zumindest bis sie wieder anfing zu arbeiten. Da war er schon ein Teenager. Wenn er die Wunde also vor Lauras Augen mit Jod behandeln würde, würde er nur wie ein unbeholfener Trottel dastehen. Er sah sie an. Ihre Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und ihr Make-up war noch absolut tadellos. Statt zu schwitzen, glühten lediglich ihre Wangen ein wenig wie bei einem jungen, schüchternen Mädchen auf dem ersten Ball.
„Ach was“, meinte Kyle. „Wollen wir weiter?“
Sie nickte und nahm erst ein gebundenes Notizbuch aus ihrem Rucksack und dann einen zerlesenen Naturführer im Taschenbuchformat. „Wir haben noch gar keine Pflanzen oder Tiere identifiziert. Allerdings glaube ich nicht, dass der Führer, den Rand uns gegeben hat, besonders ausführlich ist. Es sind nur drei Arten von Eidechsen darin aufgeführt, aber ich habe schon mindestens vier verschiedene gesehen.“
Kyle musterte sie. „Ich wette, Sie haben früher auch Ratgeber gelesen, wenn Sie babysitten mussten.“
Laura errötete. „Das haben doch alle Mädchen.“
„Kann schon sein. Aber nicht alle zogen Kochbücher zu Rate, um Eier zu kochen.“ Er sollte sie nicht ständig aufziehen. Schließlich war er deswegen überhaupt erst hier gelandet. Doch dann wurde er durch ihre Worte belohnt.
„Es gehört ja auch mehr dazu, als einfach nur ein paar Eier ins Wasser zu legen.“
„Sehen Sie, genau das meine ich.“ Er drehte sich um, während er das sagte, und stieß mit ihr zusammen. Einen Moment lang waren sie sich so nahe, dass er den dezenten Blumenduft ihres Parfüms wahrnahm und die winzigen grünlichen Flecken in ihren braunen Augen erkennen konnte.
Dann wich er zurück, und Laura wedelte mit dem Naturführer vor seinem Gesicht. „Rand will, dass wir Informationen über das sammeln, was wir sehen. Allerdings finde ich es seltsam, dass er uns mit nichts weiter als diesem veralteten Buch losschickt.“
Kyle fuhr sich durch die Haare. Tat Laura nur so begriffsstutzig, oder war sie es wirklich? Hatte sie das Knistern zwischen ihnen gerade nicht bemerkt? „Wir sind schließlich keine Forscher.“
„Botaniker und Ornithologen, meinen Sie wohl.“
Er nahm ihr das Buch ab, damit sie ihm damit nicht mehr vor dem Gesicht herumfuchtelte. „Das ist doch nur ein Requisit. Rand ist es völlig egal, ob
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