Tiffany Lieben & Lachen Band 0003
sollte ein Mann in die Büros vom ‘Real Men Magazin’ kommen, ungesehen den Empfang passieren und dann noch wissen, welcher Williams früherer Schreibtisch ist? Das müsste ja schon der reinste Hellseher sein.” Rosie lehnte sich vor. “Und kein Angestellter der Zeitschrift wird sich verplappern, weil das bedeuten würde, dass er sein Leben lang in niederster Position schuften müsste.” Sie sah Seth bedeutungsvoll an.
Seth schluckte nervös. “Eine schreckliche Drohung.”
“Wem sagst du das. Dies ist meine Chance zu zeigen, was ich kann. Und dem Sklavendasein zu entkommen.”
Seth stand auf und schlug ihr kräftig auf die Schulter. “Du bist eine coole Schnecke, ich meine, eine coole Person, wenn du es schaffst, den Dandy da zu ersetzen. Das ist wie in dem Film mit Robin Williams.”
“Du meinst ‘Mrs Doubtfire’?”
“Ja.”
“Na ja, ein bisschen anders ist es schon. Ich kann schließlich meine eigenen Sachen tragen.”
“Es ist jedenfalls stark.” Seth warf den Brief auf den Schreibtisch. Dann wies er auf eine der großen goldenen Büroklammern, die William Clarington immer benutzt hatte. “Kann ich eine haben?”
Mr Real war nicht mehr da und würde nicht wiederkommen. Warum also nicht? “Klar.”
Seth nahm eine Klammer und klemmte sie an seinen Gürtel, nahm sie wieder ab und befestigte sie an seiner Brusttasche. Dann grinste er befriedigt. “Viel Glück, Mr Real!” Er winkte Rosie noch einmal zu und stolzierte davon.
Rosie sah ihm hinterher und schüttelte den Kopf. Was ihr ältester Bruder Dillon, der die Farm nie verlassen hatte, wohl zu einem Mann mit blauem Haar sagen würde? Wahrscheinlich gar nichts. Sprachlos würde er sein und glauben, Seth käme von einem anderen Stern.
Bei dem Gedanken musste sie lächeln und nahm den Briefumschlag in die Hand. “An Mr Real” stand in schwarzen Blockbuchstaben auf der Vorderseite. Endlich mal was anderes. Von dem intensiven Starren auf den Schirm taten ihr die Augen weh, denn die meisten Anfragen erreichten Mr Real per E-Mail. Kein Wunder, dass Mr Real sich mit Boom Boom, der Bongospielerin, abgesetzt hatte. Nachdem er Hunderten von Männern gute Ratschläge für ihr Leben gegeben hatte, hatte er wahrscheinlich das Gefühl, dass es Zeit war, endlich das eigene Leben zu leben.
Wieder stellte sie sich William und Boom Boom auf den Bahamas oder in irgendeinem anderen tropischen Paradies vor. Sie seufzte leise. Fantastische Sonnenuntergänge. Gewaltige Wellen. Zwei nackte Körper, die sich im schneeweißen Sand wälzten. Aber diese beiden Körper gehörten nicht William und Boom Boom.
… sondern Ben und Rosie.
Ich und Ben? Nackt und eng umschlungen? Sie schloss schnell die Augen und spürte, wie ihr Herz bei dem Gedanken schneller schlug. Den Körper des anderen entdecken, herausfinden, was den anderen erregte … wie er fühlte, wie er dachte …
Sie öffnete wieder die Augen und sah sich schnell verstohlen um. “Das kommt von diesem Schreibtisch”, flüsterte sie vor sich hin und strich andächtig über das glatte glänzende Eichenholz. “Irgendetwas geht davon aus.” Energisch schüttelte sie den Kopf und griff nach dem silbernen Brieföffner. Auf dem Griff war sogar etwas eingraviert. “Alte Männer sollten Entdecker sein. T. S. Eliot”.
Wie kam jemand darauf, so etwas auf einen Brieföffner zu gravieren? Vielleicht hatte Boom Boom das machen lassen? Aber eine Bongo spielende Striptease-Tänzerin und T. S. Eliot? Das passte nicht zusammen.
Gut, sie konnte sich vorstellen, was William an Boom Boom fand, aber was zog eine Striptease-Tänzerin an einem verknöcherten verklemmten Zeitungsschreiber an, der jeden Morgen pünktlich um zehn nach acht sein Vollkornmuffin haben musste?
“Alte Männer sollten Entdecker sein.” Vielleicht war Mr Real ja gar nicht so alt und langweilig, wie Rosie immer gedacht hatte. Vielleicht kannte Boom Boom den wirklichen Mr Real, einen Mann voller Mut und Abenteuerlust.
Rosie richtete sich auf und schlitzte mit so viel Schwung den Umschlag auf, dass sie sich fast die Hand geritzt hätte. Erschreckt hielt sie inne und blickte auf die blitzende Klinge. Sie biss die Zähne zusammen. Sie musste sich unbedingt zusammennehmen, oder sie würde gleich am ersten Tag wegen einer Handverletzung ihren neuen Job verlieren! Plötzlich wusste sie, für welche Göttin sie sich entscheiden musste. Natürlich für die kluge, überlegene Athene. Langsam legte sie den silbernen Brieföffner zur Seite und zog den
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