Tiffany Lieben & Lachen Band 0006 (German Edition)
er rauf zum Klondike fahren und sich unter die Goldsucher begeben.
Achtzig Goldbarren aus abgelegener Mine in Yukon gestohlen
, las Melina Thurston als Aufmacher der
Yukon News
. Die Zeitung lag vor ihr auf dem Tresen der Futtermittelhandlung von Whitehorse. Neugierig überflog sie den Artikel. Die Polizei nahm an, dass der Raub im vergangenen Monat mithilfe eines Hundeschlittens begangen worden war. Die Wolverine River Mine lag an einer unzugänglichen Stelle, sodass ein solches Gefährt nützlich war. Deshalb und auch, weil es so aussah, als seien die Diebe mit der Mine und dem Goldversteck vertraut gewesen, konzentrierte sich die Suche auf die nähere Umgebung.
“Brauchst du sonst noch was?”, fragte Elaine Travers, Inhaberin der Futtermittelhandlung. Sie und Melina waren gute Freundinnen. Elaine legte zwei Pakete mit Sattelseife vor Melina auf den Tresen. Das Geräusch echote in dem hohen, scheunenähnlichen Gebäude, in dem es angenehm nach Heu und Stroh roch.
Melina blickte von der Zeitung auf und drehte den Kopf, um zu sehen, ob ihre Nachbarin, Jeannie, schon fertig war. Die agile Siebzigjährige inspizierte gerade Zaumzeug.
“Was brauchst du noch, Jeannie?”, rief Melina.
Jeannie Rathman stemmte die Hände in die Hüften und dankte dem jungen Mann, der vier Zentnersäcke mit Hundefutter auf einen Karren geladen hatte. Jeannie war zierlich und drahtig und hatte ihr langes graues Haar wie immer zu einem Zopf geflochten. Sie mochte siebzig sein, doch ihre Energie war die einer viel jüngeren Frau. Seit über fünfzig Jahren bewirtschaftete sie ihren Hof allein.
“Ich brauche Leinen für meinen Hundeschlitten”, sagte sie und schob den Karren zum Tresen, wo sich die Kasse befand.
Als Elaine hinter dem Tresen vorkam, rauschten ihre langen weiten Röcke. Sie trug ein historisches Kleid aus der Zeit des großen Goldrauschs, denn man hatte sie dieses Jahr zur Königin des Rendezvous-Festivals gewählt. In der Woche, in der das Fest stattfand, war es Pflicht für die Königin, sich zu kleiden wie vor hundert Jahren. Melina unterdrückte ihren Neid und bewunderte Elaine in dem lila Samtkleid, unter dem sie eine weiße Spitzenbluse trug. Unbewusst schnippte Melina einen Dreckspritzer von der Jacke ihres lila Skianzugs.
“Du hast doch erst im August neue Leinen gekauft”, wunderte sich Elaine.
“Ich hab eine davon zerfetzt”, bekannte Jeannie.
“So schnell?”, fragte Elaine. “Meinst du, sie war defekt? Vielleicht kann ich sie dem Hersteller schicken und du bekommst eine neue?”
“Wahrscheinlich ist sie an einem Baum hängen geblieben”, meinte Jeannie. “Ich kann mich nicht dran erinnern, wo es passiert ist. Jedenfalls gehen Leinen nicht davon kaputt, dass sie in der Scheune hängen.”
Melina fand es merkwürdig, dass Jeannie sich nicht an den Vorfall erinnern konnte. Ob das Gedächtnis der alten Frau doch langsam nachließ? Das konnte für jemanden, der allein auf einem Hof in der Wildnis lebte, gefährlich werden. Melina war die nächste Nachbarin, drei Meilen entfernt. Allerdings konnte Jeannie auf fünfzig Yards die Ähre von einem Haferhalm schießen, und an ihren zwölf Huskys kam so schnell keiner vorbei.
Trotzdem – es war nicht einfach, so zu leben. Melinas eigene Ranch, auf der sie Pferde hielt, bot keinerlei Komfort. Manchmal war sie es leid, Holz zu hacken, schwere Heu- und Strohballen zu stapeln, nur eine primitive Außentoilette zu haben und mit niemandem reden zu können außer ihren Pferden.
Ein Bad oder eine Zentralheizung konnte sie sich nicht leisten. Ihre Eltern und ihre beiden Schwestern hatten sie ausgelacht, als sie vor zwei Jahren verkündete, dass sie in Yukon Land gekauft hatte. Margaret, ihre älteste Schwester, bot ihr sofort einen Job in einer Bank in Vancouver an.
Doch Melina wollte keinen normalen Job. Die Vorstellung, in irgendeinem miefigen Büro Geld zu zählen, bereitete ihr Bauchschmerzen. Hier draußen konnte sie mit ihrer Zeit anfangen, was sie wollte. Es wäre ihr allerdings recht gewesen, irgendetwas vorweisen zu können, was ihren Eltern die Sorge nahm.
“Willst du wieder grüne Leinen wie beim letzten Mal?”, fragte Elaine Jeannie.
“Ja. Grün ist gut. Es passt zum Schlitten.” Jeannie folgte Elaine in den hinteren Bereich des Ladens.
Während Melina auf sie wartete, schaute sie aus dem Fenster auf die Hauptstraße, wo sich die Bevölkerung von Whitehorse versammelte, um der Parade zuzusehen, die nachher anlässlich des
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