Tiffany Sexy Band 85
zur Tür des Lagerraums und trat hinaus in den Flur.
Auf dem Weg zum Aufzug wurden ihr die Füße schwer, und ihre Hände zitterten unkontrolliert. Sie wollte nicht diese alte Frau sein, über die alle in der Bildschirmszene gesprochen hatten – die Einsiedlerin, deren einziges Hobby es war, Fernsehen zu gucken. Die Frau war allein.
Ganz und gar allein.
Als Carol sich dem Aufzug näherte, stellte sie wieder fest, dass die Vorbereitungen für die Party am Nachmittag bereits in vollem Gang waren. Überall wimmelte es nur so von roter Herzchendeko und Amor-Darstellungen. Einige Valentinskarten der Firma lehnten als Vergrößerungen an der Wand, darunter auch die „Diesen Valentinstag macht Amor keine Gefangenen …“-Karte, die sie auf dem Schreibtisch ihrer Assistentin gesehen hatte.
Die freiwilligen Helfer warfen ihr unwirtliche Blicke zu, als sie vorbeikam.
Wenn du immer wieder das tust, was du schon immer getan hast, dann wirst du immer wieder das bekommen, was du schon immer bekommen hast.
Carol schwenkte herum und lief zurück. „Hi“, begrüßte sie die etwa zwanzigköpfige Gruppe. „Ich heiße Carol, und ich arbeite in der Finanzabteilung. Und ich habe mich neugierig gefragt, ob Sie mir wohl verraten können, was Sie mit tausend Dollar machen würden, wenn sie vom Himmel auf Sie herabfielen.“
Zuerst scheuten sich die Mitarbeiter, sich zu Wort zu melden, aber nachdem Carol mehr und mehr konkrete Fragen zu ihrer Familie stellte, tauten schließlich irgendwann alle auf. Antworten à la „Urlaub mit der Familie machen“, „Plasmafernseher kaufen“ hatte sie erwartet, nicht aber so etwas wie „Arztrechnungen bezahlen“, „Auto reparieren lassen“ oder „zu Hause eine neue Heizung einbauen“.
Das Gespräch brachte ihr Spaß, und sie fand es gut, dass alle so ehrlich waren. Als Carol wieder ging, verstand sie viel besser, mit welchen finanziellen Verpflichtungen eine durchschnittliche Familie sich täglich auseinanderzusetzen hatte – angefangen bei den Schulkosten, über Versicherungen bis hin zur Pflege betagter Eltern.
Auf der Fahrt mit dem Aufzug nach oben in ihre Etage wandte sich Carol an jeden einzelnen Mitfahrenden und stellte ihm eine Frage zu seinem Job. Anfangs warfen ihr die Leute argwöhnische Blicke zu. In diesem Moment wurde Carol klar, dass man sie bisher wirklich für kalt und gefühllos gehalten hatte.
Und warum? Weil sie niemandem Anlass gegeben hatte, anders zu denken – weder potenziellen Freunden, noch potenziellen Lovern.
Lukes Gesicht kam ihr in den Sinn. Das musste sich ändern. Sie konnte nur hoffen, dass sie nicht zu spät kam.
14. KAPITEL
Als sich die Aufzugtüren öffneten und Carol ihre Abteilung betrat, blickte Tracy von ihrem Schreibtisch auf, auf dem sie mit ihrem „neuen“ Computer spielte. Ringsherum in dem Großraumbüro verglichen Mitarbeiter ihre Apparate und Peripheriegeräte, die Luke und Carol am Vorabend aus dem Lagerraum abgegriffen hatten.
„Sehen Sie sich die ganzen Sachen hier an!“, rief Tracy aus. „Ich vermute, Sie haben etwas damit zu tun. Ich weiß, dass Sie seit Jahren versuchen, eine Aufstockung der Haushaltsmittel für die Abteilung durchzusetzen.“
„Das stimmt“, antwortete Carol. „Trotzdem kann ich mir für all das hier keine Lorbeeren einheimsen. Luke Chancellor hat sämtliche Hebel in Bewegung gesetzt und im Vertrieb nicht benötigte Geräte an unsere Abteilung weitergereicht. Wir schulden ihm eine Menge Dank.“
Tracy blinzelte verwirrt. „Ich dachte, Sie würden Luke Chancellor hassen.“
Carol verspürte einen Anflug von Scham – wie verbittert sie doch im Laufe der Jahre geworden war. James traf keine Schuld – sie hatte es selbst so weit kommen lassen. „Es tut mir leid, wenn ich bei Ihnen oder jemand anders den Eindruck erweckt haben sollte. Alles, was ich über Luke Chancellor weiß, ist, dass er ein anständiger und guter Mensch ist, und er hat unserer Firma viel Erfolg gebracht.“
Tracy hielt den Kopf schräg. „Ms Snow, ist alles in Ordnung mit Ihnen?“
Carol lachte kurz auf. „Ich bin etwas müde und habe leichte Kopfschmerzen, aber insgesamt geht es mir gut, ja.“
Tracy zuckte zusammen. „Äh … daran dürfte ich schuld sein.“
„Was meinen Sie damit?“
Ihre Assistentin zeigte auf die Kaffeemaschine in der Ecke. „Ich habe versehentlich entkoffeinierten Kaffee gekauft. In der letzten Woche – kein Koffein … wahrscheinlich waren Sie deshalb müde und haben Kopfschmerzen
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