Tiger Eye
Schrecken schimmerte, den er durchgemacht hatte. Haris Licht, das warm und stark in ihm brannte, ungebrochen von den Schatten. Das war der Grund, warum sie sich so rasch mit ihm angefreundet hatte und ihm vollkommen vertraute.
Hari bemerkte, dass Dela ihn musterte, und erneut verschlug es ihr fast den Atem, als er sie ansah. Nur lag diesmal keine Furcht in ihrem Blick. Sondern nur Entschlossenheit. Ein Versprechen.
Ich werde dir helfen. Ich werde dafür sorgen, dass es funktioniert. Ich werde nicht vor irgendwelchen Schwierigkeiten davonlaufen.
Als Dela ihre Hand ausstreckte, ergriff er sie sanft und küsste zart ihre Handfläche.
»Ich bin froh, bei dir zu sein«, sagte er leise.
»Und ich bin froh, dass du da bist«, erwiderte sie ebenso ruhig.
Eddie errötete.
Sie verließen den Freeway und fuhren eine hübsche, von Bäumen gesäumte Straße entlang, die durch Wälder und vornehmere Vororte führte, gezähmte »Land«-Fluchten für die Frauen und Männer, die in der Stadt arbeiteten, ihre Kinder jedoch an ruhigeren Orten großziehen wollten.
Die kühle Luft duftete angenehm nach Blättern und gemähtem Rasen, die Sonne blitzte durch das Laub der hohen Bäume, das die Straße beschattete. Nach fünf Minuten wurden die Bäume seltener, bis sie schließlich die Stadt Rose Apple erreichten. Hier standen nur noch vereinzelt Bäume wie wettergegerbte Soldaten auf den Bürgersteigen.
Rose Apple war alles andere als ländlich, aber es war auch keine richtige Touristenstadt. Große und kleine Restaurants, elegant oder gemütlich, säumten die Straße. Dazwischen lagen kleine Cafes und Buchläden, eine Familienapotheke, verschiedene Kunstgalerien und die unvermeidlichen Modeläden, die auch Nippes und Antiquitäten feilboten.
Am Ende der Main Street stand ein zweistöckiges Ziegelhaus, das die Hälfte des Blocks einnahm. Für gewöhnlich hielten es die Leute für ein Lagerhaus, denn sein rechteckiger Grundriss wirkte riesig, und dieser Eindruck wurde noch von den hohen Fenstern in allen vier Wänden des ersten Stocks verstärkt.
Aber es war kein Lagerhaus.
Das Gebäude war von einem Garten umgeben, einem wilden, ungepflegten Garten, der weit auf eine Fläche übergegriffen hatte, die einmal ein Parkplatz gewesen war. Jetzt hatte man dort Pfade angelegt, gemütliche Holzbänke luden zum Sitzen ein, und es gab auch einen einfachen Springbrunnen. Ein älteres Paar bewunderte gerade die Blumen, als Eddie vorbeifuhr. Dela stieg das Aroma von Rosen und Lavendel in die Nase. Der Sommerduft ihrer Heimat.
Haus und Garten gehörten Dela, und diesen hatte sie selbst angelegt, mit ein bisschen Hilfe von Seiten der benachbarten Ladenbesitzer. Selbst wenn sich jemand gefragt haben sollte, wie sie, eine junge Frau von Mitte zwanzig, es sich hatte leisten können, das ehemalige Lagerhaus zu kaufen und dann auch noch die vielen Renovierungen zu bezahlen, die nötig gewesen waren, das Haus bewohnbar zu machen, es hatte sich doch niemand getraut, ihr diese Frage direkt zu stellen. Dela vermutete, dass die Leute glaubten, ihr Wohlstand stammte aus den Verkäufen ihrer Kunstwerke. Was zum Teil auch stimmte. Zu diesem Zeitpunkt ihrer Karriere hätte sie sehr bequem von den Einnahmen leben können, die sie mit ihren Skulpturen erzielte. Aber nicht so bequem.
Es hatte Vorteile, wenn man zu einer Familie voller Psychos gehörte, vor allem, wenn sich alle Hellseher auf dem Aktienmarkt tummelten. Es hob den Begriff Insider-Geschäft auf eine ganz neue Ebene, wenn man die Bedeutung bestimmter medizinischer oder technologischer Errungenschaften vorhersehen konnte. Dela und Max verfügten über Fonds, die so erheblich waren, dass selbst Donald Trump die Augen übergegangen wären.
Allerdings missbrauchte niemand in der Familie das Geld, das sie angehäuft hatten. Vieles davon stifteten sie, immer anonym, während ein anderer Teil für... spezielle Projekte in Reserve gehalten wurde.
Dela wurde warm ums Herz, als sie die vertraute Ziegelfassade und die glänzenden Fenster sah. Sie öffnete ihren mentalen Schutzschild, um den Eindruck der Träger, der Rahmen und der Verkabelungen in sich aufzunehmen, und spürte, wie das Echo ihres Geistes - und dann auch noch etwas anderes -sie zu Hause willkommen hieß.
»Ihr habt alle hier gewohnt?«, fragte sie.
»Yes, Madam. Wir haben abwechselnd in Ihren Gästezimmern gewohnt. Es ist die ganze Zeit jemand in Ihrem Haus und draußen.«
»Wie viele Leute hat Roland geschickt?«
»Wir sind zu viert.
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