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Tiger Eye

Titel: Tiger Eye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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einzutreten.«
    »Sind Roland und Yancy deine Eltern?«
    »Nein.« Dela lächelte. »Mein Dad besitzt keine PSI-Fähigkeiten, und meine Mutter wollte die Agentur nicht führen. Roland ist tatsächlich ein Freund der Familie, auch wenn ich durch meine Großmutter entfernt mit ihm verwandt bin. Yancy ist meine Tante. Allerdings stehen wir uns nicht sehr nahe.«
    Hari sah Eddie an. Der junge Mann schien seinen Blick zu spüren, denn er drehte den Kopf etwas zur Seite, um sich auf den Mann hinter sich zu konzentrieren, ohne dabei jedoch die Straße aus den Augen zu lassen.
    »Und worin besteht Ihre mentale Fähigkeit?«, erkundigte sich Hari, als er sich Eddies Aufmerksamkeit sicher war.
    »Ich kann Feuer entfachen«, antwortete Eddie zögernd und warf einen kurzen Blick über die Schulter, um Haris Reaktion abzuschätzen. Hari hob fragend eine Braue. Eddie warf Dela einen Seitenblick zu, als suchte er ihre Unterstützung. »Nichts wirklich Großes, nur kleine, konzentrierte Brände. Das ist eigentlich ein Ableger der Telekinese. Ich bewege einfach nur Moleküle und schüttele sie sehr schnell, so dass sie Hitze erzeugen.«
    Ein Feuermacher. Dela hatte noch nie einen getroffen und versuchte, sich den höflichen, hübschen Eddie mitten in einem feurigen Mahlstrom vorzustellen. Es fiel ihr schwer. Aber es erklärte das Handy.
    »Wann hat sich das manifestiert?«
    »Mit dreizehn«, erwiderte er, und ein Muskel in seinem Kiefer zuckte. Das warnte Dela davor, weitere Fragen zu stellen.
    Plötzlich kam ihr ein Gedanke. »Hari, glaubst du, dass der Magier vor all den Jahren genau dasselbe getan hat? Vielleicht war er ein so starker Telekinet, dass seine Energie Brände verursachen konnte.«
    »Das würde meine Lage trotzdem nicht erklären«, erwiderte Hari zwar, aber Dela sah, dass ihn die Vorstellung interessierte.
    »Sie haben noch einen von uns gefunden?« Eddie sah sie mit unverhüllter Neugier an.
    »Sozusagen«, erwiderte sie ausweichend. »Nur dass sich dieser Kerl eindeutig der dunklen Seite der Macht verschrieben hat, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    »Das kann leicht passieren.« Eddies Blick verfinsterte sich. »Einige Leute können mit Macht nicht umgehen.«
    »Dann ist die menschliche Natur das Einzige, was sich in zweitausend Jahren nicht verändert hat«, erklärte Hari und fuhr das Fenster herunter. Sein Haar schimmerte in vielen Farben in der Sonne, und er hatte die Augen halb geschlossen, als er die Skyline der Stadt und den Verkehr um sie herum betrachtete. Er sah wie eine faule, träge und sehr gefährliche Raubkatze aus.
    Eddie musterte erst Hari im Rückspiegel und sah dann Dela an. Sie zuckte die Achseln. »Hari ist ziemlich viel herumgekommen«, erklärte sie etwas lahm.
    Im selben Augenblick traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag. Es war ein Tumult von Gefühlen, der ihr fast den Atem raubte. Sie hatte Hari mit zu sich nach Hause gebracht. Er war fast noch ein Fremder, der in ihrem Haus leben würde. Mit ihr zusammen. Bis sie den Fluch aufhoben - oder sie starb.
    Sie hatte das natürlich längst gewusst und auch akzeptiert, aber die Gefühle, die diese Erkenntnis auslöste, waren noch nicht bis in ihr Herz vorgedrungen. Bis jetzt, und nun empfand sie eine diffuse Angst. Nicht vor Hari, sondern davor, wie seine Gegenwart ihr Leben ändern würde.
    Dela war eine Einzelgängerin und hatte feste Gewohnheiten. Würde sie zu einer gereizten Xanthippe mutieren, wenn ihr gewohnter Alltag durcheinandergewirbelt wurde? Würde sie reizbar, streitsüchtig und richtig gemein werden, wenn sie nach Wochen oder Monaten erzwungener Wohngemeinschaft ihr Zuhause immer noch nicht für sich allein hatte? Hatte Hari schlechte Gewohnheiten? Oder hatte sie selbst welche? Würden sie sich gegenseitig in den Wahnsinn treiben?
    Vielleicht würde Hari Dela anflehen, ihn in die Schatulle zurückzubefehlen, nur, um von ihr wegzukommen. Und vielleicht würde sie seinem Wunsch nur allzu gern entsprechen.
    Was für ein schrecklicher Gedanke!
    Dela betrachtete Hari, seinen muskulösen Körper, seine klaren Gesichtszüge. Er war hinreißend und exotisch, aber das war nur seine Oberfläche. Und sie mochte ihn nicht nur, weil er gut aussah. Der Magier sah auch gut aus. Also konnte ein attraktives Äußeres auch ein grauenvolles Herz verbergen.
    Haris Herz war aber alles andere als grauenvoll. Der Widerhall seiner Seele glühte immer noch irgendwo in ihrem Verstand, wie auch die Erinnerung an das goldene Licht, das unter dem finsteren

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