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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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tausend Schleier aufführte. Ich hasste es wirklich, die Sklavin zu sein. Ich musste mich hinknien und Peter mit »mein Gebieter« ansprechen. Ich musste so tun, als würde ich seinen Penis anbeten, während ich in Wirklichkeit fand, die Genitalien seien die am wenigsten ansprechenden Körperteile von Jungen und Männern. Wie konnte man etwas toll finden, das wie der Rüssel eines Ameisenbärs aussah, unter dem ein behaarter, adernüberzogener, schlaffer Sack hing?
    Nur selten befriedigte Peter mich mit der Hand, während Nina sich schwule Männer beim Sex vorstellte. (Schließlich hatten wir uns doch einen Schwulenporno angesehen; mehrmals hatte Peter den Blick abwenden müssen, doch er spulte nicht vor, wie er es bei den lesbischen Szenen mit der Behauptung getan hatte, zwei Frauen zusammen seien langweilig). Oder Jungen in meinem Alter, die Hundehalsbänder trugen und gefesselte Hände hatten und manchmal vom berüchtigten Mr. Nasty gezwungen wurden, Nina zu lecken.
    Peter konnte den Anblick meines Schamhaars nicht ertragen. Einmal drehte ich den Spieß um. Ich sagte, wenn er mich wirklich lieben würde, würde er sich die Eier rasieren, was er dann ganz vorsichtig mit seinem Rasierapparat tat. Obwohl er mir seine Liebe tagtäglich in Briefen erklärte, hatte ich irgendwie das Gefühl, ich bräuchte immer neue Beweise dafür.
    ***
    Gierig verschlangen Peter und ich Bücher über ältere Männer und junge Mädchen wie Belinda von Anne Rice, verfasst unter dem Pseudonym Anne Rampling, Der Liebhaber von Marguerite Duras, die vielen Bücher von V. C. Andrews und natürlich Nabokovs Lolita (auch wenn sich Peter beschwerte, dass Lolita Humbert nicht liebte). Wir sahen uns auch die Filmversion von Lolita an, außerdem Babydoll und Pretty Baby , einen Film von 1978 mit Brooke Shields in der Hauptrolle. Pretty Baby spielte Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in New Orleans; er handelte von einem Fotografen, der sich in eine zwölfjährige Prostituierte namens Violet verliebt und sie heiratet. »Das ist genau wie bei uns«, sagte Peter, nachdem wir den Film zum ersten Mal gesehen hatten. »Das ist wahre Liebe.« Der Film wurde fast zu unserer Religion. Peter stellte ihn immer wieder auf Pause, um den Gesichtsausdruck der Schauspieler zu betrachten; wir sahen Pretty Baby so oft, dass wir den Text teilweise auswendig konnten, beispielsweise Violets gesungene Liebeserklärung an ihren deutlich älteren Verehrer: »Ich liebe dich einmal, ich liebe dich immer und werde von dir lassen nimmer!« Peter weinte immer bei der vorletzten Szene, in der Violets Mutter ihre Tochter aus dem Haus holt, wo sie mit dem Fotografen lebt, und der ihr nachruft: »Sie können sie nicht mitnehmen!«, um dann leise hinzuzufügen: »Ich kann nicht ohne sie leben.«
    Wir schauten uns zwar viele Filme über junge Mädchen an, doch Peter nahm auch Rücksicht auf meinen Geschmack. Immer wieder guckten wir die Szene in Lockere Geschäfte , wo Tom Cruise in Unterhose tanzt. Ich schwärmte für Ralph Macchio, was Peter nicht überraschend fand, da er seiner Ansicht nach Ähnlichkeit mit Ricky hatte. Wann immer ich einen Jungen niedlich fand, verglich Peter ihn mit Ricky, als wäre er eine Art Prototyp. Ich wollte nichts mehr von Ricky hören, wollte nicht mehr an meine Schwärmerei für ihn erinnert werden.
    ***
    Wenn Nabokovs Humbert Humbert recht hatte und ein Nymphchen ein verzaubertes, bezauberndes, gefügiges Mädchen zwischen neun und vierzehn Jahren war, so näherte ich mich jetzt dem Ende meines Nymphchendaseins. Da Nymphchen in Peters Augen mit rund sieben Jahren erblühten, mochten sie für ihn ihren Glanz sogar noch früher verlieren. Wenn Peter unterwegs war, verbrachte ich viel Zeit damit, mir die ovalen Bilder in seinem Zimmer anzusehen, die fast ausschließlich mich als Achtjährige zeigten. War ich hübscher gewesen als andere Mädchen im selben Alter? Das fragte ich mich, während ich drei dicke Fotoalben durchblätterte, in denen sich nur Bilder von mir mit sieben oder acht Jahren befanden. Ich fand mich ganz niedlich mit meinen unterschiedlichen Gesichtsausdrücken: schläfrige Zufriedenheit, die Forschheit eines Schulmädchens (auf manchen Bildern hatte ich die Angewohnheit, mein Kinn anzuheben und zu runzeln), unbekümmerte, selbstsichere Verspieltheit. Auf einigen Fotos war ich pausbäckig und farblos; auf anderen fuchsartig mit magischem Blick – ein Mädchen mit schnellem Herzschlag, rosa leuchtenden Wangen und borkendunklem Haar.

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