Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
Vom Netzwerk:
was für dich tue, muss ich dieses Bild angucken.«
    »Willst du mir Schuldgefühle machen? Geht es darum? Du hast schlechte Laune wegen etwas, das überhaupt nichts mit mir zu tun hat, sondern mit ein paar Kindern in der Schule, mit einem Zwischenfall, an dem ich nicht beteiligt war …«
    »Manchmal habe ich das Gefühl, du benutzt mich. Manchmal glaube ich, du liebst mich gar nicht.«
    »Wofür benutze ich dich?« Peter drehte sich um; endlich hatte ich seine ungeteilte Aufmerksamkeit. »Für was benutze ich dich?«
    »Als ob ich nur ein Ding wäre. Nicht ein richtiger Mensch. Sondern eine Puppe.«
    »Ich kann es nicht fassen! Seit Jahren redet dir dein Vater direkt oder indirekt ein, dass du nichts wert bist. Die Kinder in der Schule geben dir das Gefühl, dumm zu sein. Ich hingegen versuche immer, dein Selbstwertgefühl zu stärken. Ich tue das alles nur, um dich glücklich zu machen!« Tränen stiegen ihm in die Augen, und als ich ihn streicheln wollte, stieß er meine Hand fort. »Wenn ich morgens aufwache, wenn ich abends einschlafe, denke ich an dich! Mein erster Gedanke, wenn ich aufstehe, ist: jetzt eine Tasse Kaffee, eine Zigarette und dann einen Brief an Margaux schreiben. Sieh dir die ganzen Notizblöcke an!«, sagte er und zeigte auf eine Kiste mit vollgeschriebenen Blöcken. »Mein Zimmer ist ein Altar für dich!«
    Das stimmte. Alles, was mich ausmachte, befand sich in diesem Zimmer. Wenn Peter mich nicht sah, mich nicht bewunderte, wie konnte ich dann existieren?

22
    Ein Bund fürs Leben
    Als ich die New York Avenue hinunterging, kickte ein alter Mann eine Bierflasche weg. Tauben pickten an einem Stück Yucca, das hin und her rollte wie ein Eishockeypuck. » Que hora es? « Eine ältere Frau in Schwarz tippte mir auf die Schulter. Schwarze Gummischuhe, schwarzes Kleid. » Que hora es? «
    Ich riss mich aus meinem hypnotisierten Zustand. » No español «, sagte ich. » No hablo español. «
    Sie nickte und streckte die Hand aus, um mein Gesicht zu streicheln. » Que linda «, sagte sie leise, und mir wurde klar, dass sie das Abschlussballkleid meinte, das ich trug.
    Ich hatte es von Yolanda bekommen, einer Frau, die gegenüber von Peter wohnte. Yolanda hielt als Einzige von all den Tratschmäulern zu uns; sie blieb immer stehen und unterhielt sich mit uns, wenn sie uns auf der Straße traf, und einmal hatte sie gesagt, es sei schlimm, was wir alles durchmachen müssten, nur weil wir eine Freundschaft hätten, die andere Menschen komisch fänden.
    Die Frau in Schwarz ging weiter, ich blieb mit rotem Kopf stehen. Sie fand mich schön in meinem Kleid. Yolanda hatte es mir für den Abschlussball oder eine andere Feier geschenkt, aber ich wusste, dass ich an so etwas niemals teilnehmen würde. Ich hatte das Kleid an meinem vierzehnten Geburtstag getragen, und jetzt trug ich es zu meiner Hochzeit. Es war aus perlenbesticktem Poly-Chiffon, hatte Puffärmel und ein teilweise durchsichtiges Oberteil. Meine Schuhe waren auch von Yolanda: weiße, mit glitzerndem Strass besetzte Satinsandalen mit Schleifchen.
    Mit meinen schicken Schuhen musste ich aufpassen, damit ich auf den weiten grünen Stufen, die zur Tür von Saint Augustine hinaufführten, nicht ausrutschte. Ich war nicht an hohe Absätze gewöhnt. Ich trug ja nur Turnschuhe, weil ich nie zum Feiern oder Tanzen ging. Turnschuhe, die einzigen Schuhe, die Peter sexy fand. Plötzlich bekam ich Bedenken wegen meiner Wahl.
    Doch als wir uns an jenem Tag im Vorraum der Kirche trafen, überhäufte mich Peter mit Komplimenten. Er trug seinen Hochzeits-und-Beerdigungs-Anzug, den er auch bei dem Abendessen mit Poppa getragen hatte. Er hatte sein Gebiss eingesetzt und roch nach Frisiercreme. Mit dem Weihwasser aus dem kleinen Becken segneten wir uns, ehe wir die Kirche betraten.
    Hier konnte man Predigten in Englisch und Spanisch hören, doch an jenem Dienstagnachmittag im Juli war kein Gottesdienst. Die Kirche war leer, abgesehen von einem schlafenden Obdachlosen im Karohemd. »Ich bin froh, dass er da ist«, flüsterte ich Peter zu. »Er kann unser Trauzeuge sein.«
    Wir wählten eine Bank in der Mitte. Peter nahm eine in schwarzes Leder gebundene Bibel in die Hand. Er begann, den 23. Psalm vorzulesen.
    Ich wiederholte seine Worte: »Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen.«
    Ich sah die Gold Wing vor mir, schwarz und silbern. Ich sah die Sträucher an der Uferstraße, die voll dunkelroter

Weitere Kostenlose Bücher