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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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unerträglich. Ich habe gelernt, meine Alpträume zu akzeptieren. Deine Mutter träumt überhaupt nicht. Das hat sie mir mal erzählt. Sie hat keine Träume, nicht einen einzigen.«
    Poppa war ernst, aber so ungewöhnlich ruhig, dass ich dachte, es sei meine einzige Chance, ihm von einem Fehler zu erzählen, den ich gemacht hatte: Ich hatte Jeans in einer zu kleinen Größe gekauft und war schon herausgewachsen.
    Er setzte sich auf die Bettkante und hörte im Dämmerlicht der matten Leselampe ruhig zu.
    »Ich zeig sie dir«, sagte ich und lief in mein Zimmer nebenan, um die Jeans zu holen. Vor Poppa quetschte ich mich hinein, Tränen stiegen mir in die Augen. »Ich dachte, die Größe 3/4 würde passen. Da war ich mir sicher. Aber ich habe die Quittung nicht mehr …«
    Poppa stand auf. »Du tust so, als wäre das meine Schuld! Das ist deine eigene Schuld! Wieso hast du die falsche Größe gekauft? Du hast nichts im Kopf, genau wie deine Mutter, du hast ihre Dummheit geerbt! Weißt du was? Ab jetzt kaufe ich dir deine Jeans!«
    »Nein, du suchst nicht meine Sachen aus! Ich suche mir meine Jeans selbst auf der Bergenline aus!«
    »Warum, damit du dir teure Designersachen kaufen kannst?«
    »Du trägst doch nur Designersachen! Deine Klamotten sind richtig teuer!«
    »Ich muss gut angezogen sein bei der Arbeit! Du arbeitest nicht! Du tust gar nichts, außer mir Kummer zu bereiten! Das ist dein Vollzeitjob! Mir das Leben zur Hölle zu machen! Deine Mutter mit deinem schlechten Benehmen krank machen, bis sie ins Krankenhaus muss!«
    »Halt den Mund!« Ich ertrug es nicht, wenn er mir die Schuld am Zustand meiner Mutter gab. »Das liegt an dir, du Schwein!«
    »So redest du nicht mit mir! Ich kürze dir deinen Unterhalt! Dann musst du zu Hause bleiben!«
    »Ich verhungere lieber, als bei dir zu Hause zu bleiben! Ich würde auch im Krankenhaus landen, wenn ich mir Tag und Nacht anhören müsste, wie sehr du uns hasst.«
    Poppa ballte die Faust, und ich kreischte: »Na, los! Bring mich doch um! Am besten wäre ich nie geboren!« Das meinte ich ehrlich.
    Er wandte sich ab, die Fäuste vorm Gesicht geballt. »Du bist eine undankbare Göre, hörst du! Du machst deine Mutter krank, hörst du! Du hast mein Leben zerstört, du verdammtes Ding.«
    Ich rannte nach unten und schloss mich auf der Toilette ein. Als Poppa an die Tür klopfte und schrie, rüttelte ich an der Heizkörperabdeckung. »Hey, hey! Mach nichts kaputt da drinnen!« Er drehte am Türknauf. Ich trat mit dem Fuß gegen die Heizkörperabdeckung, ohne etwas zu spüren. »Komm da raus! Hör zu, ich gebe dir das Geld! Komm bloß da raus!« Ich öffnete die Tür, Poppa stand davor. Wir sahen uns in die Augen. Er wandte sich ab und ging zu seinem Portemonnaie.
    »Ich bin deine Bank«, sagte er und zählte langsam das Geld ab. Hin und wieder unterbrach er sich, um mich böse anzufunkeln. »Du hast keinen Anstand. Keinen Stolz. Keine Würde. Keine Klasse. Kein Gewissen. Keine Gefühle. Keine Selbstachtung. Du bist ein Monster.«
    Ich ging zu ihm und sagte: »Wirf es nicht auf den Boden, gib es mir einfach.«
    »Du solltest besseres Benehmen zeigen«, murmelte er und reichte mir das Geld mit abgewandtem Gesicht. »Und jetzt lass mich in Ruhe! Los! Raus hier! Ich werde krank, wenn ich dich sehen muss!«
    ***
    Später in der Nacht hörte ich, wie Poppa in der Küche mit meiner Mutter über mich sprach, weil er glaubte, ich würde schlafen. Ich war auf der Toilette gewesen, doch als ich seine Stimme hörte, schlich ich die Treppe hinunter.
    Mommy lag auf ihrem Bettsofa im Anbau, während Poppa am Küchentisch saß und an einem Paar Ohrringen arbeitete. »Und was hast du ihnen gesagt?«, hörte ich sie fragen.
    »Also, wenn jemand mich fragt, ist er ihr Onkel, dein Halbbruder. Sag ihr das auch, damit sie Bescheid weiß.«
    »Was genau reden die Leute denn?«
    »Sie sagen: Louie, was ist das für ein Mann, der sich immer mit deiner Tochter rumtreibt? Ist er in Ordnung, der Kerl? Vertraust du ihm? Wenn man schon in den Bars darüber redet, heißt das, dass die beiden zu viel Zeit miteinander verbringen. Wie konnte das passieren? Ich dachte, sie sei meistens mit seiner Freundin und den Söhnen zusammen.«
    »Sie gehen mit dem Hund spazieren. Die Leute verdrehen gerne Tatsachen.«
    »Besonders, wenn es mich betrifft. Die Leute sind so neidisch. Weil ich in dieser Stadt gut angesehen bin. Ich habe viele Freunde. Jeder kennt mich. Ich bin beliebt. Aber ich habe gemerkt, dass der Mann

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