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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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Nacht in meinen Träumen vermischten.
    ***
    Allerdings war diese klare Zeit der Aufarbeitung, des Lernens und Ausprobierens nicht leicht; sie glich den Schmerzen, wenn man nach langer Bettlägerigkeit die verkürzten Sehnen dehnt. Ich war den Umgang mit anderen einfach nicht gewöhnt: Nach rund vier Stunden mit Tania oder Rocco war ich überreizt, manchmal wurde mir leicht übel. Dann sehnte ich mich nach Peters Zimmer, nach dem Auto und nach Paws, dessen Tod mich in einem wiederkehrenden Traum verfolgte: Ich fand ihn neben den Eisenbahnschienen, in seinem ausgeweideten Bauch wimmelte es von weißen Maden. Wenn es so weit war, hätte ich alles dafür gegeben, mich unter den zerschlissenen Decken in Peters Krankenhausbett vergraben zu können, im schwachen bläulichen Pflanzenlicht den abgestandenen Rauch und das Babyöl zu riechen, mich wie eine Fledermaus in ein verlassenes Gemäuer zurückzuziehen, um dort ungesehen im Dunkeln zu hängen.
    Als Tania sich von ihrem Freund trennte, merkte sie, dass ich mich nur sonntags mit ihr verabredete, was sie merkwürdig fand, da sie wusste, dass ich keinen Freund hatte. Ich hatte ihr erzählt, dass ich an den übrigen Tagen meinem blinden Großvater etwas vorlas. Auf ihr Drängen hin gab ich ihr Peters Telefonnummer, und eines Freitagabends rief sie aus einer Laune heraus an und fragte, ob ich mit ihr in die Stadt gehen wolle.
    Als ich aufgelegt hatte, sagte ich zu Peter: »Ich muss jetzt nach Hause und etwas zum Anziehen raussuchen. Ich bin so aufgeregt! Vielleicht gehen wir in The Tunnel oder in The Bank , diesen Gruftie-Club, wo man schon mit achtzehn reindarf.«
    »Wo willst du hin?« Peter tastete nach seinen Zigaretten. »Du willst jetzt los, einfach so?«
    »Ja, es ist schon höchste Eisenbahn. Wir sehen uns ja morgen.«
    »Und was bin ich, etwa nichts? Nur ein Zeitvertreib, und wenn jemand anders anruft, lässt du mich einfach fallen?« Seine runzligen Augen füllten sich bereits mit Tränen.
    »Das ist eine seltene Gelegenheit. Dass ich mal mit Leuten in meinem Alter rausgehe und Spaß habe. Du willst doch immer, dass ich mit Gleichaltrigen zusammen bin, oder?«
    »Ich wusste, dass es irgendwann so weit kommen würde. Es war nur eine Frage der Zeit. Warum solltest du auch hier mit einem alten Mann hocken, wenn du tanzen gehen und dich amüsieren kannst.«
    »Es ist nur, weil Tania sonst sauer wäre. Ich kenne sie, sie fände es sonderbar, wenn ich absagen würde …«
    »Geh schon! Amüsier dich! Betrink dich! Bekiff dich! Ich bin ja nichts wert. Ich wünschte, ich könnte mit dir ausgehen. Wenn mein Rücken bloß nicht so schlimm wäre! Wenn ich doch wieder jung wäre, dann könnte ich dich glücklich machen … wir könnten in die Disco gehen … ach, hau ab, geh einfach!«
    Ich hörte, wie ich ausdruckslos sagte: »Ich bleibe doch lieber bei dir. Doch. Ich dachte nur, Tania würde sauer werden, mehr nicht. Aber sie hat bestimmt Verständnis. Ist ja nicht so, als hätten wir das schon lange verabredet.«
    Doch Tania hatte kein Verständnis, und das war das Ende unserer Freundschaft.
    ***
    Ich saß mit Peter an einem moosgrünen Teich und sah den hüpfenden Fröschchen zu. Peter fragte: »Und was hast du gestern mit Rocco gemacht?«
    Ich warf einen Stein in den grünen Teich und betrachtete die Kreise. »Wir waren wieder im Central Park und haben ein Ruderboot gemietet. Dann waren wir Kebab essen.«
    »Da war ich mit Inès auch mal, danach haben wir auch ein Ruderboot gemietet. Stell dir mal vor, ich müsste mich jetzt körperlich so anstrengen … Wer hat denn gerudert: du oder er?«
    »Ich wollte ein Ruder übernehmen, aber Rocco ließ mich nicht.«
    Peter atmete eine große Rauchwolke aus. Ich hatte es satt, den Geruch an meiner Kleidung, meinen Händen zu haben: Er nahm nie Rücksicht darauf, dass ich Probleme mit den Nasennebenhöhlen hatte; seit er mir auf die Nase geschlagen hatte, waren sie schlimmer denn je. »Das heißt, er ist ein kleiner Macho. Er ist zurückhaltend, aber man sagt ja: Stille Wasser sind tief.«
    Rocco war alles andere als ein Macho: Er schrieb Geschichten für Kinder, nähte afrikanische Stoffpuppen und war viel zu anständig, um mehr zu versuchen, als mir gelegentlich den Arm um die Schultern zu legen. Peter war wie ein Hund, der der falschen Spur folgte. Ich hatte ihm absichtlich nichts von meinem Freund George erzählt, der mir half, mich auf die Grundlagenprüfung in Mathematik vorzubereiten. Als ich die Zulassungsprüfung für das

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