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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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Shawna war nicht da, sie rasierte ihre Beine in einer speziell dafür gedachten Wanne, bewacht von einer Krankenschwester, die dafür Sorge trug, dass man sich nicht die Schlagadern aufschlitzte. Für Kim und mich war es eine Gelegenheit, uns in meinem Zimmer zu unterhalten. Ich ärgerte sie mit meiner Behauptung, es würde mich nicht stören, wenn der Pfleger Greg mich beim Waschen gegen die Waschmaschine drückte und seinen Ständer an meinem Schritt rieb.
    »Wenn er den Mumm hätte, mich zu vergewaltigen«, sagte ich zu Kim, »würde ich mich freuen, denn dann würde ich dafür sorgen, dass er gefeuert wird. Und außerdem würde ich ihn anzeigen, weil er nicht das Recht hat, Frauen anzufassen, weder hier noch sonst wo. Schon gar nicht die Frauen hier; die haben genug hinter sich. Ich wurde missbraucht, seit ich acht war. Wahrscheinlich wurde ich länger als alle anderen in diesem Haus missbraucht.« Meine Worte kamen so schnell heraus und klangen so arrogant, dass ich sie am liebsten wieder zurückgenommen hätte.
    Kims Gesicht blieb ausdruckslos, wofür ich dankbar war. Ich wollte nur, dass sie mich für hart genug hielt, um jede Prüfung zu bestehen. »War es dein Vater?«, fragte sie.
    »Nein, ein Mann aus Weehawken. Kein Verwandter.« Der böse Peter musste natürlich ein Fremder sein. Solange ich seinen Namen nicht aussprach, hatte ich das Gefühl, nicht von dem Mann zu reden, den ich liebte, der Mann, der vom Arzt gefordert hatte, meine Arme und Beine zu befreien.
    »Tja, die bekloppte Shawna wurde von ihrem eigenen Bruder begrapscht. Hast du letztens bei der Gruppentherapie nicht zugehört? Ihr eigener Bruder! Und was ist mit Tracy?«
    Ich schämte mich. Während ich Tracys Horrorgeschichte über ihre Mehrfachvergewaltigung gelauscht hatte, war mir der Gedanke durch den Kopf gegangen: »Aber immerhin war sie keine acht Jahre alt gewesen.« Doch irgendwie erschütterte es mich, dass meine Probleme nicht die schlimmsten oder größten waren.
    Kim sagte: »Ich hasse Greg. Ich hasse jeden verfluchten Perversen auf dieser Welt. Wenn ich die Gesetze machen könnte, würden sie alle gefoltert und zum Schluss auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet, aber hängend an ihren Schwänzen.«
    »Ja, genau«, sagte ich und fühlte mich einsamer denn je zuvor. Immer wieder ging es mir durch den Kopf, dass Peter ein Kinderschänder war und jeder hier ihn hassen würde. Ich liebte ihn dennoch und hatte ihn vor dem Gefängnis bewahrt. Wozu machte mich das?

28
    »Wie des Tigers Satz«
    Einige Monate nach meiner Entlassung aus der Psychiatrie warf ich alle Medikamente weg, die mir verschrieben worden waren. Zoloft hatte mir anfangs Energie verliehen, doch dann nahm es mir allmählich die Fähigkeit, Gefühle zu empfinden. Am schlimmsten war, dass ich das Interesse verlor, an meinem Roman zu schreiben.
    Peter und ich hatten uns jede Woche ein Taschenbuch gekauft, aus dem ich ihm meistens am Abend vier Stunden lang vorlas. Das dumme Medikament machte es mir sogar unmöglich, Literatur zu genießen.
    Peter sprach jetzt selbst davon, Medikamente zu nehmen; sein Psychiater im Veteranenkrankenhaus sagte, er stehe kurz vor einer schweren Depression. Bei ihm war es inzwischen so weit, dass er keinerlei Kritik mehr ertragen konnte, nicht mal spielerische Neckereien. Wenn ihn beispielsweise eine Kellnerin aufzog, weil er so viel Zucker in seinen Kaffee tat, regte er sich so stark auf, dass ich beim nächsten Mal in den Laden gehen und die Tütchen holen musste.
    Eines Tages dann kam er so aufgelöst zu uns, dass er kaum noch ein Wort herausbrachte. Mommy sagte, er solle sich setzen, und ich holte schnell Poppas Aschenbecher. »Paws, Paws, Paws«, war alles, was er stammeln konnte.
    ***
    Unmittelbar nach Paws’ Tod wurde Peter ein Rezept ausgestellt, und das hochdosierte Prozac zusammen mit seiner zunehmenden Abhängigkeit vom Beruhigungsmittel Lorazepam vernichtete den letzten Rest von Sexualtrieb, den er vielleicht noch hatte. Außerdem litt er unter den Nebenwirkungen, besonders unter Durchfall und Übelkeit (bei unseren Spaziergängen musste er manchmal den Wald als Toilette benutzen). Dennoch fuhren wir jeden Tag ungefähr vierzig Kilometer; ich brauchte diesen regelmäßigen Tagesablauf, und Peter auch. Irgendwann ging der Granada kaputt, so dass ich Peter erlaubte, ein paar hundert Dollar von meinen Ersparnissen zu verwenden, die auf seinem Bankkonto lagen, um davon einen gebrauchten Cadillac Cimarron zu kaufen.
    In jenem Herbst

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