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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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sehr früh zur Arbeit aufbrechen musste, trieb er sich nicht mehr zu später Stunde im Haus herum, doch eines Nachts blieb er auf dem Weg zur Toilette mitten in der Küche stehen und sah mich finster an; ich erwiderte seinen Blick. Ich rechnete damit, dass er mich anschrie, doch aus irgendeinem Grund tat er es nicht; er schaute mich nur an, als wünschte er, ich sei tot, dann stieg er wieder die Treppe hinauf.
    ***
    Im Garten lagen Peter und ich manchmal in einer weißen Hängematte unter dem riesigen Götterbaum. Der Baumstamm war so dick wie Mommy, Karen und ich zusammen. Noch nie hatte ich so einen dicken Baum gesehen. Porridge und Peaches kuschelten in ihrem Holzstall, schnupperten mit ihren Näschen am Kaninchendraht, nachdem wir sie mit Babymöhren und braunen Pellets gefüttert hatten. Auf der anderen Seite des Gartens pflanzte Inès Sonnenblumen; Peter sagte, die würde sie am liebsten mögen. Peters Lieblingsblume war die Rose, die großen weißen hießen Bourbon-Rosen, und die kleineren vor dem Haus waren Ballerina-Rosen. Er hatte auch pink blessings gepflanzt; er sagte, Rosa sei seine Lieblingsfarbe, und vielleicht seien die Namen ja ein gutes Omen.
    Ich zog ihn damit auf, Rosa sei eine Mädchenfarbe, doch es schien ihn nicht zu stören; er meinte, man mache sich doch auch nicht über Mädchen lustig, nur weil sie Blau gut finden, warum sollte er sich also schämen, wenn er Rosa mochte?
    Wenn wir im Garten waren, sprang Karen manchmal zu uns in die Hängematte, dann schaukelten wir hin und her, bis wir Angst bekamen, sie würde reißen. Von Zeit zu Zeit wurden wir übermütig, kitzelten uns gegenseitig oder versuchten, einander rauszuwerfen. Doch meistens lagen nur Peter und ich darin und schwangen hin und her, atmeten den Duft der Blumen und der kühlen schwarzen Erde ein. Paws grub gerne ein Loch und legte sich unter uns. Ich fragte Peter, warum Paws sich ein Loch buddelte, und er meinte, die Erde unter der oberen Schicht sei kühler.
    ***
    Seit meinem Friseurbesuch sprach ich kaum noch mit Poppa, und wenn er nicht hinsah, spuckte ich das von ihm gekochte Essen in eine Papierserviette und warf sie anschließend weg. Poppa schien nicht im Geringsten zu bereuen, was er getan hatte; er reagierte auf mein Ignorieren, indem er mich ebenfalls nicht zur Kenntnis nahm und gelegentlich in der dritten Person über mich schimpfte, dann war ich ein Biest und ein kleiner Teufel. Wenn er gewusst hätte, dass ich mich irgendwann gegen ihn auflehnen würde, hätte er nicht so viel Geld und Zeit und Energie in mich investiert. Als er wieder einmal am Esstisch herumtobte, wurde ich so wütend, dass ich meinen Teller auf den Boden warf und Hühnchen, gelber Reis und grüne Oliven über den Tisch kullerten. Er packte mich am Arm, und meine Mutter schrie: »Tu ihr nichts, lass sie in Ruhe!« Er ließ meinen Arm los und stieß meiner Mutter gegen die Brust, so dass sie fast hinfiel. Dann sah er mich an, wie ich versuchte, mich rückwärts zu verdrücken, und sagte: »Du Feigling, lauf ruhig weg vor mir, Feigling!« Mit erhobener Faust kam er auf mich zu. Ich wich weiter zurück, bis ich mit dem Rücken an der Wand stand. Er fing an zu lachen. »Glaubst du etwa, dass ich dich schlage? Ich werde dich nicht anfassen. Du bist ein Feigling. Ich schlage dich nicht. Los, drück dich an die Wand, heul wie ein Baby!« Dann ging er nach oben, um sich für die Bar umzuziehen.
    Er war mir egal. Ich würde ihn weiterhin ignorieren. Es war mir sogar egal, wenn er mich um drei oder vier Uhr morgens sah, wenn ich ausschnitt, klebte, mit einem Kugelschreiber Löcher stanzte. Es war mir egal, wenn er mich um drei Uhr morgens von der Treppe aus böse anstarrte; ich konnte auch böse gucken, und wann immer ich ihm so einen Blick zuwarf, ging er schweigend wieder nach oben.
    Ich brauchte zwei Wochen, um all die Marienkäferfiguren zu zeichnen, sie bunt anzumalen und Papierkleidung für sie anzufertigen – Jacken, Hosen, Kleider und Pullover. Ich hatte kleine Löcher für Arme und Beine ausgestochen und die Kleidung mit allen Details reich verziert, beispielsweise bunte Knöpfe an ein Oberteil gemalt oder Tupfen auf ein Kleid. Alle Marienkäfer hatten Namen; sie waren Teil meiner Geschichte. Es gab nur ein Mädchen unter ihnen, es hieß Mime, und sein Haar war besonders schwierig zu machen. Ich musste lange gerade Streifen aus Papier schneiden und sie auf dem Kopf festkleben. Ich ergänzte das Set mit kleinen Papierkinderwagen für die Babys,

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