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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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absichtlich reinbeißen. Aber die Mädchen in meiner Klasse sind noch dümmer als die Jungen. Manchmal müssen wir Filme sehen, wo Jesus stirbt, am Kreuz, und wir haben so eine dämliche Clique von Mädchen, die immer Taschentücher mitbringt. Und wenn Jesus gekreuzigt wird, tupfen sie sich ständig die Augen, als wären sie traurig.«
    »Deine Mutter hat mir letztens gesagt, sie glaubt, ich wäre in einem früheren Leben Jesus gewesen.«
    »Ich weiß, das sagt sie öfter.«
    Wir saßen unter einer Trauerweide, und Peter legte den Arm um mich. Die Luft hier roch so süß, ganz anders als in der Stadt.
    »Du weißt ja, dass ich bald Geburtstag habe. Ich weiß, dass du kein Geld hast, deshalb zerbrich dir nicht den Kopf darüber, was du mir kaufen willst. Hast du dir schon überlegt, was du mir schenken möchtest?«
    »Ich glaube, es ist nicht gut, schon vorher über Geschenke zu sprechen«, sagte ich und dachte an das neue Marienkäfer-Set, an dem ich zu Hause bastelte. »Dann ist es keine Überraschung mehr.«
    »Das stimmt. Aber kann ich dir einen Tipp geben, was ich mir eventuell wünsche?«
    »Gut. Gib mir einen Tipp, wenn du willst, aber ich habe schon eine Idee, was ich dir schenken will, ja? Und wenn das nicht genau das ist, was du dir wünschst, darfst du nicht enttäuscht sein, ja?«
    »Natürlich nicht. Wie könnte ich von dir enttäuscht sein, Schätzchen?« Er zündete sich eine Zigarette an. Wenn meine Mutter nicht in der Nähe war, rauchte er meistens mehr. »Also gut, erster Anhaltspunkt: Es kostet nichts. Null. Nada.«
    »Gut … es ist also umsonst. Und weiter?«
    »Also, es ist etwas, das ich mir schon länger wünsche. Es ist etwas Besonderes und Schönes. Es ist etwas, das Menschen, die sich lieben, so wie du und ich, Menschen, die eines Tages heiraten wollen, was diese Menschen als Zeichen ihrer Liebe tun.«
    »Peter, willst du, dass ich diese Sache mache?«, fragte ich. Es schien mir einfacher, direkt zu fragen und es hinter mich zu bringen.
    »Nur wenn du das willst und wenn du dazu bereit bist.«
    »Ich muss darüber nachdenken, Peter. Ob ich bereit bin oder nicht.«
    »Keine Eile. Nur wenn du willst, Schätzchen. Es eilt nicht.«

9
    »Es ist nicht falsch, dich zu lieben«
    In der Nacht vor Peters Geburtstag riss ich aus Versehen einen Marienkäfer entzwei, als ich versuchte, ihm einen Pullover anzuziehen. Ich würde dieses neue Set niemals rechtzeitig fertigbekommen! Niemals! Mit einer schnellen Armbewegung wischte ich alle neu gebastelten Marienkäfer vom Tisch und trommelte mit den Fäusten auf die Platte. Plötzlich nahm ich etwas wahr und drehte mich um. Hinter mir stand Poppa in weißem Unterhemd und Boxershorts.
    »Was machst du da? Was soll dieser Krach? Guck mal auf den Boden! Was soll dieser Lärm zu dieser Uhrzeit? Ich muss früh zur Arbeit, begreifst du das nicht? Du bist ein wildes Tier! Steh auf! Steh auf von dem Stuhl!«
    »Nein!«
    »Steh auf, damit ich fegen kann! Sieh dir an, was du angestellt hast! Guck dir das an! Bist du etwa stolz darauf? Steh auf!«
    »Nein! Lass meinen Arm los!«
    »Ich muss das auffegen, was du da veranstaltet hast! Guck dir das an! Was ist das für Papier?«
    »Das sind meine Marienkäfer!«
    Er warf einen Blick auf das Haus der Marienkäfer und dann auf den Boden. »Warum liegen die auf dem Boden? Warum? Antworte mir!«
    »Feg sie weg! Na los! Feg sie weg! Wirf sie weg, es ist mir egal!«
    »Du hebst sie auf! Ich muss doch nicht deinen Dreck beseitigen! Heb sie auf, tu sie dahin, wo sie herkommen!«
    »Nein, feg du sie auf! Feg sie auf!«
    »Ich muss zur Arbeit, verstehst du das? Ich muss arbeiten, verstehst du mich? Ich arbeite zehn Stunden am Tag, verdammt noch mal! Manchmal arbeite ich sechs Tage in der Woche! Niemand weiß das zu schätzen! Alle hier saugen mich aus! Alle leben auf meine Kosten, wie die Parasiten! Ich reiße mir ein Bein für euch aus, koche für euch, putze hinter euch her! Ich reiße mir ein Bein aus!« Fluchend griff er zum Besen und fegte die heruntergewischten Marienkäfer und das Zubehör in eine Kehrschaufel. Als er fertig war, nahm er nacheinander jeden einzelnen Gegenstand aus den Staubflocken und Krumen vom Kehrblech und zog dabei ein Gesicht, schlimmer als Ekel. Dann legte er die Marienkäfer auf den Tisch.
    »Hier sind deine Sachen! Wirf sie nicht wieder auf den Boden! Beim nächsten Mal zeigst du mehr Respekt vor deiner eigenen Arbeit; zumindest vor deinen Sachen, wenn du schon keinen Respekt vor den Sachen anderer

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