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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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rächen?«
    Poppa lachte. »Na klar, natürlich, ich will ihr wehtun. Ich beschütze sie! Mit diesem Mann stimmt etwas nicht, das merke ich. Zuerst wickelt er einen ein, denn er ist ein geschickter Unterhalter. Er hat Charisma, könnte man sagen. Ich war auch in seinem Bann, am Anfang. Ich dachte: Das ist ein intelligenter Mann. Dies ist ein Mann mit einer Meinung. Dies ist ein Mann, der sich mit dem Leben auskennt. Zum Beispiel wusste er viel über Kunst. Hast du ja gehört, kurz bevor er ausstieg, zitierte er Renoir: Zu viele Künstler vergeuden ihre Zeit damit, mit schönen Frauen ins Bett zu gehen, anstatt sie zu malen. Guter Ausspruch. Ich musste lachen.« Poppa überlegte. »Aber dann sagte er, Renoir sei einer seiner Lieblingsmaler. Er sei besser als die ganz großen: Matisse, Picasso. Renoir ist kein Neuerer; er malte Blumen und Kinder. Ich halte nichts vom Impressionismus. Dieser Peter, der verehrt – wie hieß er noch gleich?« Wieder überlegte er. »Norman Rockwell. Er verehrt Norman Rockwell. Dabei ist das gar kein richtiger Maler. Der hat Wartezimmer von Ärzten gemalt. Dieser Peter, dieser Peter, der kann gut reden, aber man merkt, dass er nicht wirklich gebildet ist. Er ist ein Blender. Deshalb mag ich ihn nicht. Er ist genauso wenig echt wie seine falschen Zähne.« Poppa lachte. »Welcher Mensch lässt sich schon mit fünfzig alle Zähne ziehen?«
    »Jetzt wirst du aber gemein«, sagte Mommy. »Du bist einfach nur betrunken und grausam. Vielleicht ist das ja der Grund, warum Peter nichts trinkt. Alkohol bringt bei Menschen das Schlechteste zum Vorschein.«
    »Die Wahrheit ist grausam, das stimmt«, sagte Poppa und hielt endlich an, um drei Straßenblocks von unserem Haus entfernt rückwärts einzuparken. »Aus der Art und Weise, wie ein Mann auf sein Äußeres achtet, kann man etwas über ihn ableiten. Ein Mann, der weiß, dass er recht tut und ein reines Gewissen hat, der pflegt seine Fingernägel, seine Zähne. Er achtet auf seinen Körper und hofft, dass er ewig so bleibt. Er raucht hin und wieder mal eine Zigarre oder Zigarette, aber er raucht nicht Kette wie dieser Mann. Dieser Mann ist selbstzerstörerisch. Wie er da am Tisch saß – er hat kaum etwas gegessen! Er hat nur ganz wenig von seinem Hühnchen und den Nudeln genommen, die Zucchini und die Kresse hat er nicht mal angerührt! Statt auf seine Zähne zu achten, lässt er sie verkommen. Er ist ein Veteran. Das Veteranenkrankenhaus hätte seine Behandlung bezahlt, Wurzelkanal, egal was. Dieser Mann wird in zehn Jahren tot sein. Das garantiere ich euch. Seine Mutter hatte einen Schlaganfall, der Vater einen Herzinfarkt. Und trotzdem raucht er wie ein Schlot. Ich sehe ihm an, dass er nicht gesund ist, wahrscheinlich hat er einen erhöhten Cholesterinspiegel.«
    Poppa zog den Schlüssel aus der Zündung und faltete die Hände im Schoß.
    »Ist mir egal, ob du ihn magst oder nicht«, sagte Mommy. »Du brauchst ihn ja nicht wieder einzuladen.«
    »Nie wieder. Kennst du dich in der Geschichte aus? Die schlimmsten Männer der Geschichte waren die, die Nüchternheit forderten. Die größten Anführer gönnten sich gerne mal ein Glas – Churchill, Roosevelt –, während die schlimmsten Tyrannen in allen Zeitaltern abstinent waren. Hitler zum Beispiel …«
    »Nicht schon wieder!«
    »Hitler«, erhob Poppa die Stimme, »Hitler trank keinen Alkohol. Er lebte sehr abstinent. Kannst du im Geschichtsbuch nachlesen.«
    »Ich finde es unglaublich, dass du Peter mit Hitler vergleichst.«
    »Du verstehst es schon wieder nicht.« Poppa lachte. »Ich traue diesem Mann nicht. Ich traue ihm nicht über den Weg. Pass auf deine Tochter auf, wenn ihr bei ihm seid. Er und seine Familie haben einen schlechten Einfluss. Wenn es um mich ginge, würde ich dir verbieten, mit der Kleinen dorthin zu gehen. Schlicht und einfach. Aber mach, was du willst. Ich wasche meine Hände in Unschuld. Ich sage nur, ich wasche meine Hände in Unschuld.«

11
    Punkt, Punkt, Komma, Strich
    »Großer Gott!«, sagte Peter immer, wenn ihn irgendwas überraschte. Er seufzte nicht, sondern sagte stattdessen »Seufz!« Er strich seine Küche lavendelfarben. Er begann, mir ein Puppenhaus aus Holz zu bauen. Eines Nachmittags (es muss im Sommer gewesen sein) bat Peter Karen und mich, uns bis auf die Unterhose auszuziehen. Dann machte er Fotos von uns, wie wir uns umarmten oder der anderen den Arm um die Schulter legten. Mommy war wohl zum Supermarkt gegangen, um sich ein Eis zu holen, oder

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