Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger
Patrick-Swayze-Verschnitt, um dessen Aufmerksamkeit alle Mädchen buhlten, schien mich sogar Grace mit ihrer Kleopatrafrisur vorzuziehen. »Das liegt daran, dass Margaux so super flirten kann«, erklärte Irene einmal unserer kleinen Runde und ahmte meine unbewusste Angewohnheit nach, den Blick zu senken, dann einem Mann ins Gesicht zu schauen und in dem Moment, wo seine Augen meine trafen, selig zu strahlen.
Manchmal gelang es dieser neuen, unbekannten Seite von mir, sich gegen Dinge zur Wehr zu setzen, die ich als ungerecht empfand. Ich passte immer sehr auf Winnie auf, und wenn ihr jemand auch nur im Geringsten unrecht tat, kam mein neues Ich zum Vorschein und eilte ihr sofort zu Hilfe. Einmal erzählte Winnie, das beliebteste Mädchen der Klasse hätte ihr Glasscherben in die Limonade getan. Im Korridor pflanzte ich mich vor diesem Mädchen auf, vor dem ich so viele Jahre große Angst gehabt hatte. Fast berührten sich unsere Brüste, und ich fragte: »Was hat Winnie dir eigentlich getan?« Sie sah mich verwirrt an, und als sie zurück in die Klasse ging, schaute sie sich immer wieder nach mir um.
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Wenn ich mit meinen neuen Freundinnen zusammen war, gab es bisweilen Momente, in denen ich mich wie ein ganz normales elfjähriges Mädchen fühlte. Doch tief in mir wusste ich, dass ich anders war. Immer noch telefonierte ich einmal in der Woche mit Peter, ein Geheimnis, in das ich die anderen nicht einweihen konnte. Winnie stand mir am nächsten, doch selbst sie schien mich nicht richtig zu kennen. Außerdem war sie längst nicht so treu wie Peter. Als ich ihr die eine Hälfte eines Beste-Freunde-Schlosses schenkte, stellte ich schon nach wenigen Tagen fest, dass sie ihren Anhänger nicht mehr trug. Angeblich erlaubte ihre Mutter ihr nicht, ihn zu tragen, aber ich nahm an, der wahre Grund sei, dass sie mich ganz tief im Innern doch für einen Freak hielt.
Statt sich darüber zu freuen, dass ich jetzt Freundinnen hatte, schrie Poppa manchmal: »Halt den Mund! Ich kann deine Stimme nicht ertragen!«, wenn er hörte, wie ich mit Winnie am Telefon lachte und plapperte. Wenn meine Mutter ihm meine verbesserten Zensuren zeigte, brachte er lediglich ein gegrummeltes »Gut« heraus. Manchmal hatte ich das Gefühl, als wolle er nicht mehr, dass es mich gab.
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Unser Haus wurde von zwei Sicherheitsschlössern geschützt: einem Zylinder-Fallenschloss und einem Yale-3000-Türriegel. Poppa prahlte gerne mit seinen Schlössern. Er behauptete, wenn ein Einbrecher, Vergewaltiger oder Serienmörder jemals versuchen sollte, an diesen Schlössern vorbeizukommen, würde das so viel Lärm verursachen, dass Poppa genug Zeit hätte, seine stets geladene Pistole zu holen.
In jenem Herbst saß ich eines Mittags mit Mommy in dem Bus, der uns von der Schule nach Hause brachte, als sie in das Fach ihrer Handtasche schaute, in dem normalerweise ihre Hausschlüssel verstaut waren. Sie konnte sie jedoch nicht finden. Wir stiegen wie immer gegenüber der Washington School aus und gingen zu Fuß zu dem Münzfernsprecher vor der Bodega La Popular , wo Mommy mich nach Peters Nummer fragte. Sie wusste, dass ich sie auswendig konnte.
Sie musste mein erschrockenes Gesicht gesehen haben, denn sie sagte: »Ich meine mich zu erinnern, dass ich die Schlüssel auf dem Küchentisch liegengelassen habe. Peter ist Schlosser. Wenn er uns einfach ins Haus lassen könnte, hätte ich die Schlüssel zurück, ohne dass dein Vater je davon erfahren müsste.«
Als Peter nicht ans Telefon ging, spazierten wir zu Fuß zu seinem Haus. Wir sprachen nicht miteinander, beide zu sehr in unsere Gedanken vertieft. Ich war so nervös, Peter wiederzusehen, dass ich eine Dose Bubble Tape aus der Schultasche holte, sie öffnete und das lange Band aus rosa Kaugummi abwickelte, ohne ein Stück zum Kauen abzureißen. Ich trug meinen dunkelblauen Schul-Pulli mit der hellblauen Bluse darunter, dazu dunkelblaue Söckchen und meine Spangenschuhe. Ich blickte in den bedeckten Himmel, wo die Wolken kreative körperlose Formen annahmen wie auf den Bildern bei uns zu Hause. »Warte! Ich glaube, ich kann das Haus sehen!«, sang ich mit gekünstelter heller Stimme. »Da ist es!«, sagte meine Mutter, und ein breites Lächeln legte sich auf ihr Gesicht.
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Die Haustür stand weit offen, so dass Mommy und ich einfach eintraten, nachdem uns klarwurde, dass die Klingel nach all der Zeit immer noch nicht repariert worden war. Peter kam gerade die Treppe herunter, als wir hinaufgehen
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