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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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Schinkenspeck gewann, weil ich wusste, dass ich ihn sonst niemals hätte essen dürfen.
    »Willst du das alles selbst essen?«, fragte Peter.
    »Ja!«
    Ich hörte etwas klirren. Es waren die Ketten von Ricky, der in die Küche geschlendert kam. Die Ketten hingen überall an seiner Jeans wie silbernes Lametta; die Hose war an den Knien aufgerissen, er trug schwarze Doc Martens . Ricky trug einen hohen Irokesenschnitt, der seine vorstehenden Wangenknochen und die hagere Symmetrie von Kinn, Nase und Stirn noch unterstrich.
    »Ricky, hilfst du uns mit dem Schinkenspeck?«, fragte Peter.
    »Nein, danke«, sagte Ricky und ging zum Kühlschrank. Er war jetzt vierzehn und höflich distanziert. Er sprach fast nie, und wenn doch, brummte er etwas vor sich hin. Er betrat und verließ das Zimmer, so schnell er konnte, und das einzige Geräusch kam von den Ketten an seiner Jeans. Er war dürr und hatte gerade einen Schuss gemacht, so dass er ziemlich groß war, einen Meter siebzig oder fünfundsiebzig. Peter sagte, er wäre jetzt ein Punker. Auch Miguel ließ sich das Haar lang wachsen, hatte es psychedelisch blau gefärbt und wollte ein Motorrad haben, so eins wie Peter. Ständig hörte man Punkmusik und Heavy Metal vom Dachboden. Einige von Miguels und Rickys Freunden hatten Ärger mit ihren Eltern, so dass sie wochen- oder sogar monatelang bei den Currans blieben, unter dem Dach auf dem Fußboden schliefen. Peter störte daran nur, dass sie Unmengen von Lebensmitteln verbrauchten. Oft sagte er, Inès würde alle Streuner aufnehmen und sich von ihnen ausnutzen lassen, ohne es zu merken. Ich wusste nicht, wie es inzwischen oben auf dem Dachboden aussah, aber da die Jungs die Tür häufig offen stehen ließen, konnte ich erkennen, dass die Wand entlang der Treppe zum Dachboden grellorange gestrichen worden war. Einer der Freunde hatte eine schwarze Spraydose mitgebracht und an ungefähr fünf verschiedenen Stellen »Oi!« auf die orangefarbene Wand gesprüht, was, wie Peter mir erklärte, ein Punk-Ausdruck sei. Wann immer die Tür zum Dachbodenzimmer offen stand, lockten mich die Treppenstufen nach oben: Natürlich gehörte ich nicht zu dieser Welt mit Mädchen in Lackminiröcken, mit Schnürstiefeln und Hundehalsbändern oder zu den Jungen mit nietenübersäten Lederjacken, die Gitarren- und Basskoffer durch die Gegend trugen. Ricky und sein Freund Vaughn hatten eine Band gegründet, Rigor mortis , die ihren Namen später in The War Dogs änderte, bevor sie sich endgültig für die Bezeichnung Prehistoric Defilement entschied. Sie übten fast jeden Tag; jedes Mal, wenn Peter und ich während der Proben an der Dachkammer vorbeikamen, schüttelte er den Kopf und sagte so was wie: »Sie nennen es Musik. Für mich ist es Geschrei.«
    Prehistoric Defilement trat hin und wieder in der Umgebung auf und hatte es sogar zu zwei begeisterten Anhängerinnen gebracht: Die eine hieß Amber, eine Sechzehnjährige mit nietenbesetztem Hundehalsband, die immer einen Schlumpf am Kettengürtel ihres Mikrominis trug. Sie hatte aufgemalte Augenbrauen und nannte jeden älteren Mann »Daddy«. Das zweite Groupie war Vanessa, ein hübsches Mädchen, das manchmal einen echten schwarzen Ledermini trug, gebleichtes blondes Haar hatte und stark gebräunt war, weil sie immer im Bikini auf dem Dach saß. Amber prahlte, sie hätte schon zwei Kinder, beides Kaiserschnitte, und Vanessa arbeitete als Kellnerin in Manhattan – ihr Cousin hatte ihr einen täuschend echten Ausweis gemacht, und kurz darauf hatte sie den Job bekommen. Vanessa war so attraktiv, dass ich fassungslos war, als Peter mir erzählte, sie hätte mal Rickys Irokesenschnitt gestreichelt, und er hätte sie immer wieder von sich gestoßen und schließlich angeschrien: »Nimm deine verdammten Hände weg!« »Er ist launisch«, sagte Peter und zuckte mit den Schultern, als ich meinte, es sei völlig untypisch für Ricky, jemanden so anzuschreien.
    Peter wusste, dass ich so wie jedes Mädchen in Ricky verknallt war. Wie früher hatten wir keine Geheimnisse voreinander. Ich hatte ihm sogar erzählt, dass ich »I love Ricky« auf all meine Notizblöcke in der Schule geschrieben hatte, sogar auf mein großes rosa Radiergummi. Einmal kam Ricky ins Zimmer geschlendert, ich hörte seine Ketten klirren. Mit seiner Körpergröße, seiner zerrissenen Jeans, seinem wunderschönen Jungengesicht und den langen schmalen Händen hatte er eine enorme Wirkung auf mich. Ich war so verschossen in ihn, dass ich Peter

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