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Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie

Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie

Titel: Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Paul
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freundlich und murmelte eine nette Entgegnung. Dennoch fühlte sie ihren Zorn in der Magengrube brodeln und ließ zu, dass die Hitze sich bis hinter ihre Stirn ausbreitete. Anna wusste, dass dieses Gefühl nie wieder verschwinden würde.
    Dankbar, dass Lady Suffolk endlich das Interesse an der Unterhaltung mit ihr verlor und ihren Weg mit ihrer Gesellschaftsdame fortsetzte, eilte Anna die Straße in die andere Richtung davon. Vorbei an dem Juwelier, hinüber zum Mietdroschkenstand.
    Sie rief dem Kutscher die Adresse zu und ließ sich gegen das harte, abgewetzte Polster sinken.
    Ab heute würde sie die Regeln des ton auf ganz neue Art auslegen.
    Sie lernte eben eine wichtige Lektion: Es war völlig gleichgültig, ob sie die Gesellschaftsregeln befolgte. Wichtig war nur, dass alle glaubten, sie täte es.
    Und wenn der gesamte ton eine solch verlogene Moral lebte, warum sollte ausgerechnet sie den beschwerlichen Weg gehen?
    Anna lachte rau. Da haderte sie monatelang mit sich selbst, mit ihrer Verderbtheit, und anderenorts taten Mitglieder des ton Dinge, die ihr im wahrsten Sinne des Wortes nicht einmal im Traum eingefallen wären!
     
    Als der Kutscher endlich vor dem großen Stadthaus im exklusiven Londoner Stadtteil Mayfair hielt, verrauchte Annas Wut allmählich. Erste Zweifel nagten an ihr.
    Sie gab dem Droschkenfahrer das Geld, und noch ehe sie es sich anders überlegen konnte, ließ er seine Peitsche knallen und brauste davon.
    Anna seufzte und starrte auf das vornehme Gebäude. Es war größer und eleganter als das ihres Stiefvaters. Genau die Art Haus, mit dem ein Mann mit einer Arroganz so groß wie ein Walfisch vor aller Welt mit seinem Reichtum protzen würde.
    Die Eingangstür öffnete sich, ohne dass Anna sich bewusst geworden war, dass sie darauf zugelaufen war. Das dunkle, schwarzäugige Gesicht, das sie anstarrte, war ihr vertraut. Long Tian strahlte über beide Backen, als er sie erkannte. „Anna Drysdale, seien große Ehre! Treten ein! Treten ein in nichtswürdige Hütte meines edlen Herrn!“
    Anna zögerte, und Long Tian öffnete die Tür ein Stück weiter.
    Er winkte. „Kommen, edle Dame! Drysdale- laoye werden haben große Glück, wenn sehen Anna Drysdale!“
    Er führte Anna durch die Eingangshalle in den Salon und hieß sie zu warten.
    Anna sah sich neugierig um. Der Raum war im Stil der Chinoiserie eingerichtet. Die Wände zierten asiatische Landschaften, Drachen und Gebäude. Auf dem Boden lag ein riesiger Teppich mit filigranem Muster, und Anna wagte nicht, ihn zu betreten, weshalb sie um den Läufer herum zu der eleganten Chaiselongue ging und sich setzte. Sie faltete ihre Hände, legte sie in den Schoß und wartete geduldig, dass Christopher sie empfangen würde.
    Die Tür öffnete sich, und eine junge Dienerin trat ein. Sie musste Chinesin sein. Sie tippelte über den Teppich, und wegen ihres Ganges konnte Anna nicht umhin, auf ihre Füße zu starren. Lady Suffolks Bemerkung auf der Soiree kam ihr in den Sinn, wonach man chinesischen Frauen die Füße abschnitt. Das Mädchen besaß eindeutig Füße, wenn sie auch in spitzen Schuhen verborgen waren, deren kunstvolle Stickerei Anna beeindruckte. Ihr Blick wanderte hoch. Das Kleid der Dienerin war ebenfalls fremdartig. Ein gerader Schnitt, zwar körperbetont, doch locker die Figur umspielend und mit einem kurzen Stehkragen.
    Das Rot stand dem Mädchen hervorragend und stach von ihrem feinen schwarzen Haar ab. Dichte Strähnen hingen ihr in die rechte Gesichtshälfte, sodass Anna nur die linke Seite erkennen konnte. Ihre Augen waren gesenkt. Sie stellte das Tablett, das sie hereingebracht hatte, auf das kleine Tischchen neben der Chaiselongue und warf sich dann vor Annas Füßen flach auf den Boden.
    Einen Moment lang starrte Anna verwirrt auf die liegende Chinesin.
    Von der Tür erklang Christophers Stimme.
    „Das ist ihre Art, dir ihre Ehrerbietung zu zeigen.“ Er trat in den Raum und redete das Mädchen auf Chinesisch an. Darauf erhob sie sich und verließ mit gesenktem Kopf das Zimmer.
    Christopher trug ein asiatisches Gewand. Der glatte, glänzende Stoff ließ Anna vermuten, dass es sich um Seide handelte. Als ihr Stiefonkel näher kam, erkannte sie die feinen Stickereien auf der Kleidung. Seine Füße steckten in weichen Pantoffeln, die so bequem aussahen, dass Anna beinahe ein sehnsüchtiger Seufzer entfuhr.
    Sie rief sich zur Ordnung und konzentrierte sich auf Christophers Gesicht. Seine Miene blieb unbewegt, und nicht einmal in

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