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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie de Velasco
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vorher. Kurz bin ich richtig froh, dass ich zu dicht bin, um heute Nacht noch mit Nico zu schlafen.
    Also?
    Also was?
    Was mache ich mit dem Laken?
    Ach so. Das tust du einfach in die Wäsche.
     
     
    Am nächsten Morgen gehe ich rüber in das Zimmer, in dem Jameelah mit Lukas pennt, und öffne vorsichtig die Tür. Niemand da, und das Laken liegt auch noch auf der Matratze. Ich laufe durchs ganze Haus, überall liegen Partyleichen auf dem Boden, über die ich rübersteigen muss, aber keine von ihnen ist Jameelah. Im Garten schlafen, dicht aneinandergelöffelt, Apollo und Aslagon. Ich laufe an Blumenbeeten vorbei, immer weiter nach hinten. In der hintersten Ecke an einem Teich, in dem dicke Goldfische schwimmen, sitzt sie und lässt die nackten Füße ins Wasser baumeln.
    Na, sage ich und lasse meine Füße neben ihre ins Wasser plumpsen, wie wars?
    Nichts.
    Wie nichts?
    Na nichts, sagt Jameelah, ist irgendwann eingeschlafen. Oder hat so getan, als ob. Als ich vorhin aufgewacht bin, war er weg.
    Hat wohl Schiss bekommen.
    Schiss wovor, warum, verstehe ich alles nicht, sagt Jameelah, von wegen Frauen sind geheimnisvoll.
    Ich würde gern was Gutes sagen, aber mir fällt nichts ein, wie immer, wenn es drauf ankommt, also sitzen wir einfach so nebeneinander und starren in den Teich, auf dem Entengrütze und kleine Seerosen schwimmen. Die Sonne scheint auf uns herunter, könnte eigentlich ein schöner Tag werden.
    Ich hab ihm gesagt, dass ich ihn liebe, sagt Jameelah und verscheucht mit dem Fuß einen Goldfisch, hätte ich mal besser sein gelassen.
    Liebe, da muss man doch nicht vor weglaufen, sage ich, aber Jameelah reagiert gar nicht, schaut einfach weiter in den dunkelgrünen Teich hinein, als ob der es besser wüsste, sich aber da raushalten will, so nach dem Motto, macht eure eigenen Erfahrungen. Durch den Nachbarsgarten gehen eine ältere Frau und ein junges Pärchen, das Pärchen sieht aus wie kurz vorm Heiraten. Wie sie sich bewegen, wippen voller Vorfreude auf die Zukunft mit den Hüften, sie mit geblümtem Kleid und langen offenen Haaren, er mit einem Pullover über den Schultern und die Ärmel vor der Brust geknotet wie ein Paar Tennissocken. Sie sehen glücklich aus, aber ich kann genau erkennen, dass die Haare von der Frau voll dünn sind, noch gerade so an der Grenze, dass sie sie offen tragen kann.
    Pass mal auf, sage ich und stupse Jameelah an, irgendwann, da läufst du auch wie die beiden da durch einen schönen Garten und bist glücklich, mit oder ohne Lukas, wetten.
    Ach, irgendwann, sagt Jameelah, jetzt, jetzt sind die da glücklich, aber irgendwann, irgendwann trennen die sich. Solche Leute glauben, dass das Leben wie Knetgummi ist, dass man alles draus machen kann, aber irgendwann, da wird das Leben sie auseinanderreißen, und dieser Morgen hier im Gemüsegarten, der wird eine Erinnerung sein, die so wehtut, dass sie sich wünschen werden, sie niemals erlebt zu haben. Irgendwann werden sie über das, was sie am glücklichsten gemacht hat, am meisten weinen. Diese Idioten, glauben immerzu an das Gute.
    Glauben, sage ich, ist, wenn man will, dass Sachen stimmen, von denen man weiß, dass sie eigentlich unmöglich sind.
    Jameelah starrt mich an.
    Wo hast du das denn her?
    Von nirgends, ist von mir.
    Ihr Mund verzieht sich zu einem Grinsen.
    Hermine oder was.
    Deine Mutter Hermine, sage ich.
    Du solltest so ein Buch machen, wie heißt das gleich, eins mit lauter schlauen Sprüchen von dir.
    Ha ha, selber, sage ich, aber in Wirklichkeit bin ich richtig froh, dachte schon, Jameelah hätte vergessen, wie das geht mit dem Grinsen.
    Komm, lass uns endlich abhauen, sonst kriegen wir noch eine Gemüsegartendepression.
    Wir suchen unsere Klamotten zusammen und steigen vorsichtig über die Partyleichen im Wohnzimmer. Auf dem Sofa direkt unter der Porzellanpuppe, die immer noch im Kronleuchter hängt, liegt Anna-Lena und schläft, daneben steht ihr Rucksack. Sie sieht so normal aus im Schlaf, ich glaube, weil die Stirnfalte mal Pause hat.
    Warte, flüstert Jameelah, beugt sich über Anna-Lenas Rucksack und fängt an, darin rumzuwühlen.
    Spinnst du, flüstere ich, ausgerechnet bei der.
    Ich such doch nur ihr Handy wegen Lukas’ Nummer, flüstert Jameelah.
    Beeil dich, flüstere ich.
    Ich will mir gar nicht vorstellen, was Anna-Lena macht, wenn sie aufwacht, andererseits steht eine leere Flasche Apfelkorn neben ihr, und da beruhige ich mich schon wieder.
    Was ist das denn?
    Jameelah starrt auf ein Buch, das sie

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