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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie de Velasco
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Kniestrümpfe angezogen mit den kleinen schwarzen Schleifen am Bund, und die Unterwäsche, die Jameelah mir letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hat, die mit den Herzen und Karos drauf. Kurz komme ich mir vor wie die blöde Struck in ihrem bescheuerten Kleid. Irgendwann muss die Struck es auch zum ersten Mal gemacht haben, warum bringt die uns das nicht mal bei. Kann ich mir gar nicht vorstellen, die Struck im Bett mit einem Kerl. War wahrscheinlich wie in einem von Rainers Pornos, überall Schamhaare und rote Reizwäsche und zerknitterte Laken, und in der Mitte ein großer roter Fleck.
    An der Telefonzelle vom Planet steht fett mit Edding:
    Party und Konzert beim Viovic im Proberaum!
    Während ich lese, merke ich, dass die ganze Telefonzelle wackelt, als würde die sich wie irre auf die Party freuen, sich höchstpersönlich aus den Angeln heben wollen, um mitkommen zu können. Wer die von innen bewegt, sehe ich nicht, denn in der Telefonzelle steht dicker Qualm, aber ich kann es mir schon denken. Ich öffne die Tür einen Spalt breit, da greift eine Hand von innen nach mir und zerrt mich hinein. Ich kreische, aber Nico flüstert, Augen zu, und schließt schnell die Tür. Überall riecht es nach Ott.
    Hier erstickt man drin, sage ich, Hilfe.
    Nico meint, das soll so sein, höre ich Jameelah neben mir sagen.
    Ja, soll es auch, sagt Nico, das ist unsere Opiumhöhle, keine Angst, einfach Augen zulassen und tief einatmen, du gewöhnst dich dran.
    Ich kneife die Augen zusammen und atme tief durch. Nach ein paar Atemzügen fühlen sich meine Beine an wie Götterspeise, mein Kopf wird voll schwer, und langsam fängt die Telefonzelle wieder an zu wackeln, sie ruckelt los, wie ein alter Aufzug, der nicht weiß, in welche Richtung, ein Stück rauf und dann wieder runter. Nico pustet immer neue Rauchwolken in die Luft, ansonsten ist es völlig still, so als wären wir wirklich in einer Höhle.
    Jemand hustet.
    Wer ist eigentlich alles hier drin, flüstere ich.
    Ich, sagt Nico.
    Ich, sagt Jameelah.
    Ich, sagt jemand, und als ich blinzle, sehe ich durch den Qualm Lukas’ geschlossene Bambiaugen, er lächelt, und die langen Wimpern schmiegen sich an seine weiße Haut. Muss doch komisch sein für ihn, so weit entfernt von seinem Lebensraum, hier mit uns, denke ich, fliegt immer weiter weg von seinem grünen Leben, per Telefonzelle durch die Galaxis, und obwohl Lukas mir eigentlich egal ist, finde ich das gut. Wer weiß, vielleicht ist sein grünes Leben gar nicht so grün, wie ich es mir immer vorstelle, und wenn das so ist, dann ist unseres vielleicht auch nicht so heiß und kantig, keine Ahnung, wenn man breit ist, dann ist das Leben eh ganz weich, dann hat es keine scharfen Kanten mehr, und alle Menschen sind aus derselben Farbe.
     
    Nico und ich sitzen während der ganzen Busfahrt total breit auf der Rückbank und singen We R who we R. Mit der einen Hand hält Nico meine Hand, und mit der anderen kritzelt er die Bank vor uns mit Sad s voll, das finde ich komisch, weil vor uns sitzen Lukas und Jameelah und spielen Schnik Schnak Schnok, und das mit Jameelah und Lukas ist doch nicht Sad, aber vielleicht nehme ich das alles zu ernst, das passiert mir öfters, wenn ich breit bin. Als wir im Grunewald aussteigen, sind wir bestimmt zwanzig Leute. Anna-Lena und Nadja stützen Tobi, dem ist im Bus so schlecht geworden, dass er unter die Sitze kotzen musste.
    Was hast du mit ihm gemacht, sagt Anna-Lena zu Nico und zeigt auf Tobi.
    Nichts, sagt Nico, wieso denn schon wieder ich?
    Man muss sich doch nicht immer gleich so abschießen, sagt Nadja.
    Jetzt halt die Klappe, sagt Tobi zu ihr, mir gehts doch schon viel besser.
    Im Vorbeigehen haut Nico mir auf den Arsch.
    Spinnst du, sage ich.
    Hattest da was.
    Haha, sehr witzig, sage ich, dabei finde ich es wirklich witzig.
    Merkst du was, flüstert er und legt mir den Arm um die Schultern, alle sind doof, nur wir nicht, und dabei schnaubt er leise, wie ein Pferd im Winter auf der Weide. Nico riecht nicht nach Weleda, wenn überhaupt, dann riecht er nach Nivea, aber vor allem riecht er nach Alkohol und Zigaretten. Komisch, irgendwie riechen alle Männer, die ich mag, nach Alkohol und Zigaretten. Papa hat auch immer so gerochen, abends wenn er von der Arbeit kam und im Wohnzimmer ein Bier getrunken hat, ich auf seinem Schoß, die Nase in seinen Klamotten, genau so hat er gerochen.
    Wo ist Jameelah, frage ich.
    Die läuft irgendwo da vorn mit diesem Dingsda, sagt Nico.
    Lukas heißt der.
    Keine

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