Tigermilch
aus Anna-Lenas Rucksack gezogen hat. Zauberbuch für neue Hexen steht da, und als Jameelah es aufschlägt, fällt genau aus der Mitte ein Foto von Lukas raus. Ich mache einen Schritt zurück, weil Jameelah ganz weiß wird im Gesicht und ihre Augen ganz schwarz vor Eifersucht, und dabei stolpere ich fast über jemanden, aber nur fast, weil Jameelah mich am Arm packt und sagt, komm, weg hier.
Zauberbuch für neue Hexen, schreit sie, als wir auf dem Weg zur Bushalte sind, siehst du, ich wusste doch, dass Anna-Lena eine Hexe ist, dabei hält sie das Buch wie die Bibel in die Höhe. Vor meiner Nase klirren ihre tausend Armreifen.
Ist doch nichts Neues, sage ich.
Und Lukas, klar, den will sie verhexen, weil sie ihn nicht kriegen kann, genau so ist das, aber immer einen auf nettes Mädchen machen, unsere Frieda Giga, immer ihr Scheiß-Tabu dabei, lieb dich, mein Engel, kotz, mir reicht es langsam, echt!
Da kommt der Bus, sage ich und zeige auf das gelbe Doppeldeckermonster, das gerade um die Ecke biegt.
Wir rennen los und japsen wie blöde hinter dem uns überholenden Bus her. Der Busfahrer hat Mitleid mit uns, denkt wahrscheinlich, wir sind welche von den braven Kindern, die hier wohnen und zum Klavierunterricht gefahren werden wollen.
Als wir im Bus sitzen und endlich wieder normal atmen können, sage ich, gib mal her, und nehme ihr das Buch aus der Hand, dabei fällt das Foto raus.
Pass doch auf, sagt Jameelah, aber so schnell kann ich mich gar nicht bücken, wie sie unter dem Sitz verschwindet, ich höre ihre Schuhe auf dem Belag knirschen wie auf Sandpapier.
Scheiße, sagt sie, und einmal autsch, wo ist es, aber dann taucht sie wieder auf, das Foto in der Hand. Immer und immer wieder wischt sie mit ihrem T-Shirt drüber, total versunken, ich denke nur, wer hat Jameelah eigentlich verhext und ob mit mir was nicht stimmt, weil ich das mit Nico nicht habe, aber vielleicht liebe ich Nico einfach nicht so, wie Jameelah Lukas liebt.
Seit Adam zum ersten Mal auf Eva fluchte, weil sie ihm das alberne Stück Obst vom Baum der Erkenntnis zu essen gegeben und damit erreicht hatte, dass beide aus dem Paradies geworfen wurden, ist wahre Liebe nur noch Wege gegangen, die holprig und voller Enttäuschungen waren steht da auf der ersten Seite und dass man deswegen mit Zauberei nachhelfen soll. Allerdings ist mir nicht klar, wie man dem Fußabdruck des Mannes, den man liebt, etwas Erde entnehmen soll, um seine Liebe zu gewinnen.
Wer latscht denn bitte mit seinen Schuhen durch Erde, wir leben doch nicht auf dem Bauernhof, sage ich, aber Jameelah reißt mir das Buch aus der Hand.
Da muss doch noch praktischeres Zeugs drinstehen, sagt sie, was, das wir auch machen können. Hier schau mal, lassen Sie auf eines Ihrer gebrauchten Taschentücher etwas Blut fallen. Dann verbrennen Sie das Tuch zusammen mit einem Haar Ihres Liebsten und streuen ihm die Asche in den Salat. Schwierig, wo kriege ich ein Haar von Lukas her? Du hast es da einfacher, du kannst Nico eins ausreißen, der würde bestimmt nicht fragen, wofür, ihr macht doch eh immer solchen Quatsch.
Du bist gut, sage ich, Nico isst keinen Salat, Nico isst noch nicht mal die Gurke auf seinem Burger, für den ist Gemüse einfach nur Abfall.
Nico, sagt Jameelah, typisch, dann vertieft sie sich wieder in das Buch.
Ich bin todmüde und lege meinen Kopf an die kühle Fensterscheibe. Jetzt, wo wir über Salat reden, da kapiere ich es erst so richtig. Auch wenn Nico Salat mögen würde, es wäre egal, ich muss Nico keine blöde Asche ins Essen streuen, weil Nico mich sowieso liebt. Aber das kann ich Jameelah nicht einfach so sagen, dabei ist es anders, gar nicht, wie sie denkt, nicht so, wie mit ihr und Lukas, kein Mixer im Magen, der loslegt, wenn ich ihn sehe, keine Zauberei, sondern Allerwelt. Nico ist einfach da, war schon immer da, und wird für immer bleiben. Das ist schön, auch wenn es keine Zauberei ist. Man kann eben nicht alles haben, sagt Rainer immer. Rainer labert zwar viel Scheiße, aber da hat er ausnahmsweise mal recht.
Den Rest des Tages verschlafe ich, höre die drei Fragezeichen und hole mir manchmal was aus dem Kühlschrank. Abends kommt Nico vorbei, irgendwie ist es so, als wäre gar nichts gewesen, und ich merke, dass ich froh darüber bin, aber wir reden eh kaum, wir sind so müde, dass wir immerzu gähnen müssen.
Nico sagt noch, schlaf gut, Süße, als ich ihn zur Tür bringe, da klingelt mein Handy, es ist Jameelah.
Nini, sagt sie, ich
Weitere Kostenlose Bücher