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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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Tequila. Die Mädchen waren zum Greifen nah. Das eine führte zum anderen. Mit sechzehn mischte ich schon ordentlich mit, beim Militär. Wir spielten Hymnen und Märsche für die Paraden und staatliche Festakte. Ich hatte eine tadellose Uniform mit vielen Orden. Einmal kam General Cárdenas und hörte uns spielen. Er applaudierte laut und schickte uns als Dank eine Riesenportion Maiseintopf.«
    Eine Krankenschwester kam und verabreichte ihm Tabletten.
    »Danke, General. Vergelts Gott.«
    Morgado versuchte sich seinen Vater Geige spielend vorzustellen, aber es wollte ihm nicht gelingen. Er hatte sehr früh mit dem Musizieren aufgehört und nie vor seinem Sohn spielen wollen.
    »Warum hast du nicht weitergemacht?«, fragte Morgado ihn laut.
    Sein Vater setzte seine monotone Rede fort: »Und dann Mazatlán. Der Karneval und seine Königinnen. Wie habe ich damals Geige gespielt! Die Königinnen, die Mädchen, waren erstklassige Geigen. Sie stimmten sich von selbst. Ein musikalisches Wunderwerk. Das war es. Ja. Aber man wird des Spielens überdrüssig. Man trifft den Ton nicht mehr. Dann geht es bergab. Ich habe das Gehör verloren. Die Fähigkeit, Musik zu genießen. Ich habe den Gefallen an den Festen und den Tanzveranstaltungen verloren. Aber diese Geige aus Paracho, was war sie schön, nicht wahr?«
    »Ja, Papa.«
    Der alte Mann gähnte und starrte in den Innenhof, in dem sich die einsame Palme erhob. »Schau dir dieses Kaff an. In Michoacán sind die Bäume Bäume und nicht so ein Mist. Dort tragen die Bäume Früchte und sind schön anzuschauen. Hier taugen sie nicht einmal dafür. Diese armselige Palme hat doch gar keinen Sinn. Sie spendet nicht einmal Schatten.«
    Morgado sah, dass die Medizin Wirkung zeigte. Sein Vater fing an sich zu entspannen und schloss die Augen.
    »Bis bald.« Morgado küsste ihn zum Abschied.
    Sein Vater murmelte etwas Unverständliches, dann fiel sein Kinn auf die Brust. Eine Krankenschwester half, ihn in sein Zimmer zu bringen.
    »Hat er keine Rückfälle gehabt?«, fragte Morgado, als er ihn so wehrlos und verletzlich daliegen sah.
    »Seit vorletztem Jahr, als sie ihm den Schrittmacher eingesetzt haben, ist er stabil. Fragen Sie Doktor Gerardo Ávila. Er ist sein Hausarzt. Sie treffen ihn morgens an, ab sieben.«
    Morgado ging zu dem Platz zurück, auf dem er Atanasios Auto abgestellt hatte. Eine rote Fußgängerampel stoppte ihn. Und der unverwechselbare Klang einer Geige machte ihn auf einen Mixteken neben einer von politischer Propaganda übersäten Eiche aufmerksam; dieser spielte, als hinge sein Leben davon ab, während seine Frau im Umschlagtuch die Passanten um eine kleine Unterstützung bat.
    »Oaxaquitas!«, rief erzürnt eine Frau aus, die die Szene beobachtete. »Die verschandeln nur unser Stadtbild. Warum bleiben sie nicht in ihren Hütten? Was haben sie hier zu suchen? Hat sie irgendjemand gerufen?«
    Morgado warf ihr einen feindseligen Blick zu, woraufhin die Frau schnell verschwand. Die Ampel wurde grün. Der Mixteke spielte weiter. Als Morgado schließlich die Straße überquerte, war die Ampel schon wieder rot. Diese Heldentat brachte ihm drei Huper und zwei wilde Flüche ein. Er kümmerte sich nicht darum.
     
14
     
    Die Büros des Diario 29 im Zentrum von Mexicali sahen aus wie ein Aquarium. Drei der vier Wände waren aus Glas, und die dort arbeitenden Journalisten wirkten wie bunte Fische, die zwischen den Schreibtischen und dem einzigen Telefon hin und her schwammen.
    »In den Stoßzeiten ist es das reinste Chaos«, sagte Federico Lizárraga zu Morgado, als sie auf dem Weg zum Archiv waren. Eine großspurige Bezeichnung, denn es bestand lediglich aus vier Schränken mit alten, wahllos einsortierten Zeitungen.
    »Das ist erst ein Chaos«, erwiderte Morgado.
    Lizárraga winkte ab. »Der erste Eindruck täuscht. Das Chaos ist gut katalogisiert. Was willst du wissen?«
    »Alles, was über die Ermordung von Heriberto González veröffentlicht worden ist.«
    »Das war vor ungefähr drei Wochen, oder?«
    »Am 25. Juli. Es muss am nächsten Tag in der Presse gewesen sein.«
    »Mal sehen. Ja, hier ist es.«
    Lizárraga ließ ein mit Bindfaden verschnürtes Bündel Zeitungen in Morgados Hände fallen.
    »Das sind alle Ausgaben aus dieser Woche. Was du suchst, muss in der Rubrik ›Staatliches‹ sein. Wir haben keine eigene Rubrik für Verbrechen, das kommt alles unter ›Staatliches‹.«
    Morgado fand die Meldung schnell, die Schlagzeile war auf der Titelseite: Im Magic

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