Tijuana Blues
fühlte sich wie eine Gestalt im Land der Riesen, der Fernsehserie, die er mit zehn in Mexicali immer gesehen hatte, als er noch glücklich und unbekannt war. »Und was zum Teufel haben Sie hier zu melden? In wessen Horn blasen Sie?«, stammelte er, immer noch indigniert und wütend.
»In Ihres nicht, Herr Rechtsanwalt. Dabei weiß ich noch nicht einmal, ob das gut oder schlecht wäre.«
Morgado blieb vor Staunen der Mund offen, und er musste erst mal tief Luft holen, bevor er losprustete.
»Ich bin Doktor Guadalupe Esparza. Ich hoffe, Rechtsanwalt Contreras hat Ihnen schon von mir erzählt.«
»Nein, das wollte ich gerade tun«, sagte dieser mit seinem falschesten Lächeln und rückte seine Krawatte zurecht.
Morgado wollte die Situation retten. Ihm fiel nichts anderes ein, als Doktor Esparza einen Stuhl anzubieten.
»Danke«, sagte sie angesichts dieser verspäteten Geste eines Kavaliers alter Schule, »aber ich stehe lieber.«
»Ein taktischer Vorteil, vermute ich«, murmelte Morgado.
»Ich freue mich, Sie kommen genau zur rechten Zeit«, sagte Contreras. »Wir waren gerade dabei, den Deal abzuschließen.«
»Hör auf, Contreritas. Du warst gerade dabei, unsere einzige Trumpfkarte zu verspielen.«
»Und was für eine Karte bin ich? Ass oder König?«, fragte Morgado ironisch.
»Der Joker«, erwiderte Doktor Esparza. Ohne Contreras weiter zu beachten, hakte sie sich bei Morgado unter und zog ihn aus dem Büro. »Laden Sie mich zum Essen ein. Sie werden bestimmt ein gutes Restaurant hier in der Nähe kennen. Man sieht, dass Sie aus der Stadt kommen und nicht hinterm Mond leben.«
Morgado versuchte, ein letztes Mal Widerstand zu leisten. »Sie werden mich nicht überzeugen«, sagte er so bestimmt, wie er konnte, während der Aufzug nur mit ihnen beiden abwärts fuhr.
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Doktor Esparza lächelte vor sich hin und legte ihre Hand auf Morgados Hosenschlitz. »Wetten?«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
Morgado, getrieben von einem Instinkt, der aus den wilden Studentenzeiten in den Siebzigerjahren an der UNAM kam, gab keine Antwort. Doktor Esparza küsste ihn auf die Wange und berührte noch einmal Morgados Penis. »Ist das ein Ja?«, hauchte sie wie eine hilflose Nymphe.
»Ja«, raunte Morgado, »das ist ein Ja.«
2
Im sauberen, hellen Operationssaal unterhielten sich die Arzte in Kitteln und mit Mundschutz, während sie sich die Hände und die Arme wuschen. Der Chefchirurg hob seine bereits getrockneten Arme und ließ sich von seinem Assistenten die Gummihandschuhe überstreifen.
» Ready? « , fragte er das übrige Team, das sich um den Operationstisch versammelte.
»Los gehts, Ralph«, sagte als Startsignal der Anästhesist, der den Puls des Patienten auf dem Tisch kontrollierte.
»Die Werte?«, fragte der Assistent, während eine Krankenschwester ihm die Handschuhe überstreifte.
»Normal«, antwortete der Anästhesist. »Er gehört ganz Ihnen, gentlemen. «
Die Herren Chirurgen ließen sich nicht lange bitten. Das Skalpell öffnete einen Spalt in der dunklen Haut des Patienten, zu beiden Seiten trat das erste Blut zutage.
» Nice and slow, so geht das«, murmelte der Chefchirurg und legte weiter Schicht für Schicht Gewebe frei.
»Vorsicht mit der Arterie«, sagte sein Assistent warnend.
»Ich bin nicht blind, dreamer « , erwiderte der Chirurg und änderte geschickt die Schnittrichtung des Skalpells.
Eine OP-Schwester tupfte den Schweiß von seiner Stirn.
» Thanks, July « , sagte er, doch seine Aufmerksamkeit war ganz darauf gerichtet, die Verbindungen der Niere zu kappen, die gerade unter der letzten Fettschicht aufgetaucht war.
»Wunderschön, nicht wahr?«, lautete sein Kommentar, als er sich zu seinen Kollegen umdrehte. Sein Assistent und der Anästhesist beugten sich herunter, um sich selbst zu überzeugen, und lächelten.
»Irgendwelche Anzeichen einer Erkrankung zu sehen?«
»Nein, nichts«, antwortete sein Assistent.
»Ist die Kühleinheit bereit?«
Die Krankenschwester fuhr ein Wägelchen mit einer geöffneten Metallbox heran, aus der eisiger Dampf aufstieg. Eine Reihe grüner Zahlen blitzten an einer Seite.
» Now! « , rief der Chefchirurg aus, trennte die Arterien ab, die die Niere versorgten und die bereits mit Klemmen verschlossen waren, holte vorsichtig das Organ aus dem Körper und legte es in die Metallbox, die sofort von der Krankenschwester verschlossen wurde, bevor sie aus dem Operationssaal gebracht wurde.
»Du bist dran«, sagte der Chirurg und zog,
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