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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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können nicht sterben.«
    Er sprang sofort von seinem Platz weg. Dieser Junge war kein harmloses Engelchen, sondern ein möglicher Serienmörder. Und er schien sich unglaublich schnell von den Schlägen zu erholen.
    »Wer bist du, verdammt? Ein Killer …«
    »Natürlich bin ich kein Killer«, erwiderte der Junge und stand ganz auf. Seine Stimme wirkte fein, fast zerknirscht. »Sie sind ein Einbrecher, das ist Hausfriedensbruch. Gegen das Gesetz!«
    Morgado verstand das alles nicht. Es war, als wäre die Skinhead-Persönlichkeit des Jungen durch die einer höflichen, wohlerzogenen Person ersetzt worden.
    »Was arbeitest du hier?«
    Der Junge hob beide Hände in die Höhe. Einen Moment lang glaubte Morgado, einem wehrlosen Geschöpf gegenüberzustehen. Da sah er in der linken Hand von John S. Trower die Klinge eines Jagdmessers blitzen. Der Skinhead stürzte sich mit einem »Fahr zur Hölle!« auf Morgado. Da fiel dem Detektiv die Pistole wieder ein, die er aus der Tasche des Jungen geholt hatten. Zwei Schüsse ließen den Angreifer zurückweichen, aber er ging noch lange nicht zu Boden. Das Messer fiel hinunter und blitzte nicht mehr.
    »Was ist passiert?«, fragte der Junge und suchte nach den zwei Einschusslöchern in seiner Brust. Dunkles Blut lief über seinen Bauch und tropfte auf seine Füße.
    »Ich bin unsterblich, Mann«, sagte er mit zittriger Stimme.
    »Leg dich hin«, befahl ihm der Anwalt. »Ich rufe einen Krankenwagen.«
    Morgado versuchte an ihm vorbeizukommen, um zur Treppe zu gelangen, aber John hinderte ihn daran. Mit einer seiner Pranken hielt er ihn fest, mit der anderen langte er in sein Blut und leckte es mit einer schnellen Zungenbewegung von den Fingern.
    »Das ist mein Blut. Wie gut es schmeckt! Möchtest du?«, forderte er den mit ihm ringenden Anwalt auf. »Wirklich, mouse man, möchtest du davon?«
    Morgado musste ihn mit aller Kraft von sich stoßen, um sich von dem blutenden Muskelpaket zu befreien. John S. Trower stolperte und fiel der Länge nach hin. Morgado suchte das Foto, das er in seiner Brieftasche gefunden hatte. »Wer ist diese Frau?«, fragte er.
    John spitzte die Lippen, als wollte er seiner Geliebten Küsse schicken.
    »Mein Mädchen, du Arsch.«
    »Wo ist sie?«
    »Einkaufen, Mann. Sie ist auch ein Vampir.«
    »Ich weiß«, sagte Morgado fast zu sich selbst. »Wo ist sie einkaufen?«
    »Warum willst du das wissen?«
    Morgado wägte seine Antwort ab. »Ich werde sie töten«, sagte er schließlich. »Ich will ihre Seele und ihr Herz verschlingen. Ich bin ein Aztekenkrieger.«
    John hob seine blutige Hand und tätschelte Morgados Wange. »Du bist wie ich, Krieger, ein Kind der alten Götter. Die Zeit kann uns nichts anhaben.«
    »Ja, wir sind die Herren des Universums, von ewigem Hunger getrieben«, versuchte Morgado das Spiel fortzusetzen.
    John heulte auf, und mehr Blut sprudelte aus seinen Wunden. Er schloss die Augen und lächelte. »Im Calimax, Mann. Sie ist im Calimax. Der Supermarkt an der Grenze.«
    Der Rechtsanwalt wollte aufstehen, aber der Junge legte seine Pranke auf Morgados Schulter. »Trinke ihr Blut, Azteke. Und küsse sie für mich.«
    »Mach ich.«
    Morgado sprang mit großen Sätzen die Treppe des Mexicali Mercy Hospital hinunter. Im unteren Stockwerk stieß er hin und wieder irgendwo an, aber es gelang ihm, den Weg zum Ausgang zu finden. Draußen ging er sofort zu einer Telefonzelle und alarmierte das Rote Kreuz. Dann rief er Comandante Ramos an. Er berichtete ihm kurz von seiner Odyssee und teilte ihm mit, dass er sich jetzt auf den Weg ins Calimax mache.
    »Was, glauben Sie, hat diese Frau vor?«, fragte der Comandante.
    »Eine weitere Entführung. Was sonst?«
    »Handeln Sie nicht voreilig! Warten Sie, wenn Sie vor uns da sind. Sie sehen ja, was passiert, wenn Sie einen auf Gringo-Detektiv machen.«
    »Ich hab ja nur ein paar Schläge abbekommen«, sagte Morgado ganz in seiner Rolle.
    Kaum hatte er das gesagt, da explodierte das Mexicali Mercy Hospital und ließ den ganzen Block erbeben. Die Scheiben der Telefonzelle, in der Morgado stand, gingen zu Bruch.
    »Die Streichholzschachtel!«, rief er. »Ich habe die Streichholzschachtel bei ihm gelassen!«
    Überall stiegen Flammen auf. Ein Wikingerbegräbnis, dachte Morgado, wie in einer Wagneroper.
     
13
     
    »Andrea! Komm mal her!«
    Die dicke Frau in kurzen Hosen, die ihre Zellulitis zur Schau stellten, trieb ihre Tochter an, die sich, noch mit dem Ranzen auf dem Rücken, in der Abteilung mit den

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