Tijuana Blues
Videospielen vergnügte.
»Schau mal, Mama, das da oben hat Nora. Neulich hat sie es mich mal bei sich zu Hause spielen lassen. Wenn du zehn böse Männer tötest, bekommst du tausend Punkte.«
Die Mutter probierte ein paar schrille Ohrringe an, aber der Gedanke an die Stromrechnung hielt sie davon ab, sie zu kaufen.
»Du wirst schon damit zufrieden sein, einen vom hohen Ross herunterzuholen«, sagte sie etwas verspätet zu ihrer Tochter. »Ich weiß, wovon ich spreche.«
Aber Andrea hörte sie schon nicht mehr.
Wo war die kleine Herumtreiberin denn jetzt schon wieder?
Die Sorge um ihre Tochter trat in den Hintergrund, als sie in die Fernsehabteilung kam. Es lief gerade zeitlich verschoben ihre Lieblingstelenovela.
»Ach, sieht der gut aus«, rief sie. Sie konnte sich nicht zurückhalten.
Eine Gruppe von Leuten stand um den Bildschirm herum, auf dem ein junger Mann mit langem Haar und offenem Hemd mit seiner liederlichen Dauerverlobten stritt.
»Warum gibt es nicht mehr solche Männer?«, fragte die Frau laut.
»Man kann sie im Katalog bestellen, meine Liebe«, antwortete die Dame neben ihr.
»Na, dann hat man mich übers Ohr gehauen. Ich habe mir einen bestellt, aber stattdessen hat man mir meinen Mann geschickt. Wo kann ich mich beschweren?«
Alle Anwesenden, auch die Verkäuferin der Elektronikabteilung mussten über den Kommentar lachen. Die Frau schaute sich um, aber sie konnte ihre Tochter Andrea nirgends entdecken. Sie wird bei den Nintendospielen sein, dachte sie. Und ohne sich großartig Sorgen zu machen, bewunderte sie weiter den jungen Verführer aus der Telenovela.
14
Morgado betrat das Calimax und schaute sich in alle Richtungen um. Der Polizist am Eingang stufte ihn sofort als verdächtig, als möglichen Dieb ein und teilte dies der Verwaltung mit. Morgado eilte durch die Gänge, zwischen Frauen und Kindern in allen Altersklassen und Größen. Die Frau mit der rosafarbenen Perücke war nirgends zu sehen. Dafür eine Menge Leute mit Einkaufswagen voller amerikanischer und mexikanischer Produkte. Eine Gruppe von Frauen tuschelte vor einer riesigen Fernsehwand. Ein Mann in Baseballkleidung hielt eine Brandyflasche in der Hand. Ein dickes Kind blätterte eine Zeitschrift mit Comics durch. Ein Teenie stand vor einem Dutzend Lippenstiften. Nichts Außergewöhnliches. Keine Spur von dem ›rosaroten Panthern‹, wie Morgado sie inzwischen nannte. Er drehte noch eine weitere Runde und kam in die Spielzeugabteilung. Am anderen Ende des Ganges sprach ein kleines Mädchen mit einer Indiofrau. Seltsam, dachte Morgado, diese Kleidung aus Tehuantepec sieht man im Norden kaum. Er ging in den nächsten Gang, dort war die Frischfleischabteilung. Mehrere Frauen kämpften um die Aufmerksamkeit des Verkäufers.
»Wie viel kostet die Lende?«
»Schneiden Sie bitte das Fett ab. So will ich es nicht.«
»Ein Kilo Hackfleisch.«
Morgado wurde allein vom Anblick der blutigen Rind- und Schweinefleischstücke schlecht. Der Gestank des Todes und die Ranch von San Felipe drängten sich ihm wieder auf. Seine Sinne versuchten, die Erinnerung an diese Gerüche und die schrecklichen Bilder zurückzudrängen.
Morgado lehnte sich an eines der Regale mit dem Rücken zur Fleischtheke und atmete langsam und tief, bis er sich wieder gefangen hatte. Beruhige dich, beruhige dich. Du musst diese Frau finden. Irgendwo muss der rosarote Panther sein. Muss er? Einen Moment lang hatte er Zweifel. Die Worte von Rechtsanwalt Contreras hallten in einem Winkel seines Kopfes wider, und die Meldung aus La Voz de la Frontera über die Entführungswelle, insbesondere die Entführung von Andresito, brachte ihm in Erinnerung, dass die Augenzeugen ausgesagt hatten, dass die Hauptverdächtige eine Indiofrau war. Aber hier im Norden ist jede eine Indiofrau, wenn sie nicht die typische Cowboykleidung trägt: Baumwollbluse, Jeans und Lederstiefel. Wenn man wie ein Mädchen vom Land oder aus Tehuan …
Morgado richtete sich auf und rannte in die Spielzeugabteilung. Das Mädchen und die Frau aus Tehuantepec … waren verschwunden. Er lief in den nächsten Gang und stieß gegen eine Frau, die schrie: »Andrea, mein Kind. Wo steckst du? Mama muss gehen.«
Morgado begab sich in den Kassenbereich, und kurz sah er das weiße Gewand der Frau aus Tehuantepec blitzen. Sie zeigte dem Mädchen eine Schachtel mit Videospielen. Er beeilte sich, um sie noch zu erwischen. Aber noch bevor er den Gang verlassen und sich zum Ausgang begeben konnte,
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