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Tim (German Edition)

Tim (German Edition)

Titel: Tim (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Jäger
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gleich welcher Art, entstehen.
    »Du wolltest mit mir reden«, eröffnete ich das Gespräch. »Wie wäre es mit jetzt?«
    »Klar.«
    »Und woran hast du gedacht?«
    »Kann ich ehrlich sein?«
    »Selbstverständlich«, antwortete ich. »Dafür bin ich hier.«
    »Und du behältst es für dich?« So zurückhaltend hatte ich Tim noch nicht erlebt, aber ich hatte eine Idee, was er mir sagen wollte. Ich entschied mich aber, ihn nicht zu drängen und ihm die Zeit zu geben, die er offensichtlich brauchte.
    »Tim, was du mir im Vertrauen sagst, werde ich niemandem, und ich meine absolut niemandem, weiter sagen.«
    »Danke, Charlie. Ich weiß, dass ich dir vertrauen kann. Aber ich habe Angst, dass es beeinflussen könnte, was du von mir denkst.«
    »Ich habe eine Ahnung, was du mir sagen möchtest. Wäre es für dich einfacher, wenn ich zuerst sage, was ich vermute?«
    »Nein, ich muss es schon selbst sagen. Aber es fällt mir nicht leicht«, antwortete er und seufzte. Es dauerte einige Sekunden, bis er genug Mut gesammelt hatte. Und er bestätigte meine Ahnung. »Charlie, ich bin ‘ne Schwuchtel.«
    »Gefällt dir das Wort?«, fragte ich. Tim schaute mich einen Moment irritiert an. Scheinbar war es nicht die Reaktion, die er erwartet hatte.
    »Nicht besonders«, gab er schließlich zu.
    »Dann nehmen wir doch am besten das Wort schwul «, schlug ich vor. Tim antwortete mit einem Lächeln. »Aber warum erzählst du mir das?«, wollte ich wissen.
    »Als du mir das erste Mal die Hand gegeben hast, wusste ich sofort, dass du jemand bist, dem ich vertrauen kann. Ich kann dir auch nicht genau erklären, warum. Ich musste es dringend jemandem sagen. Und ich hatte das Gefühl, dass du dich wirklich dafür interessierst, was uns beschäftigt.«
    »Wissen es deine Eltern?«, fragte ich.
    »Ja.«
    »Carl?«
    »Jop.«
    »Wer noch?«
    »Du.« Sein Grinsen wurde etwas breiter.
    »Sonst noch jemand?«
    »Nein, niemand«, gestand er und seufzte erneut.
    »Das ist sicher nicht einfach für dich.« Das war offensichtlich, aber ich hatte keinen blassen Schimmer, was ich sonst sagen sollte.
    »Ganz und gar nicht«, stimmte Tim zu.
    »Wie haben deine Eltern reagiert?«
    »Ziemlich cool. Carl auch. Wir hatten viele lange Gespräche in den letzten Jahren darüber. Aber es tut gut, auch mit jemandem außerhalb der Familie darüber reden zu können.«
    »Es gibt sicher eine Menge schwuler Jungs, die dich um eine so verständnisvolle Familie beneiden würden.«
    »Ich weiß. Aber eine verständnisvolle Familie führt noch lange nicht zu einer verständnisvollen Schule. Oder zu einem verständnisvollem Sommercamp.« Tim schaute sich um und nickte in Richtung der Hütten, um seinen Punkt zu verdeutlichen. »Ich bin so froh, dass du hier bist und dass ich mit dir reden kann.« Ich glaubte, eine Träne in seinem Augenwinkel zu erkennen.
    »Dein Vertrauen in mich ist schmeichelhaft. Dein Geheimnis ist bei mir natürlich sicher aufgehoben.«
    »Danke.«
    »Kennst du andere schwule Jungs an deiner Schule?«
    »Nicht in der Junior High . Carl meinte es gab einen in der High School . Ich weiß nicht, wie das Gerücht verbreitet wurde, aber er wurde von den anderen Schülern ziemlich gemobbt. Es wurde so schlimm, dass seine Familie dann weggezogen ist. Carl hat mir von ihm erzählt. Ich hätte mich gerne mit dem Jungen unterhalten, mich vielleicht sogar bei ihm geoutet. Ich weiß nicht, ob ich wirklich den Mut dazu gehabt hätte. Aber da er nicht mehr an der Schule ist, werde ich das nie herausfinden.«
    »Mist. Und du hast Angst, dass dir das gleiche passieren könnte?«, fragte ich.
    »Genau.«
    »Ich wünschte, ich könnte dir helfen«, sagte ich. Wieder eine dumme Phrase, aber ich hatte mit einem solchen Gespräch absolut keine Erfahrung. Was sagt man da?
    »Das hast du schon«, erklärte er. »Indem du mir zugehört hast.« Mein Eindruck hatte mich nicht getäuscht. Tim rollte eine Träne über die Wange. Ich wischte sie ihm aus dem Gesicht und strich ihm mit den Fingern über die Wange. Am liebsten hätte ich Tim in diesem Moment in den Arm genommen und geküsst. Ich schaffte es aber, mich zu beherrschen.
    »Tim, ich bin hier dein Betreuer. Dafür bin ich da.«
    »Ich wünschte, du wärst mehr als das.« Ich hatte befürchtet, dass es in diese Richtung gehen würde.
    »Tim, du versuchst da wieder eine Grenze zu überschreiten.«
    »Sag mir bitte, wenn ich zu weit gehe. Aber ich reize Grenzen gerne mal aus, wie du beim Bogenschließen bemerkt hast.« Sein

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