Tim und Charlie (Tim: Teil 2) (German Edition)
mitbrachte. Die anderen Mitglieder hatten aber mehr Erfahrung als er und waren bereit, ihm zu helfen. Tim scheute sich auch nicht davor zu fragen. Im Gegenzug versuchte Tim, den anderen technische Tipps zu geben und scherzte oft mit ihnen, dass sie nicht genug trainieren würden. Sie nahmen es gelassen hin und lachten mit ihm. Es war eine wundervolle Atmosphäre, die in diesem Verein herrschte.
Tim hatte für jeden der anderen Turner ein Lob parat und er freute sich aufrichtig mit ihnen, wenn ihnen etwas besonders gut gelang. Seine unzähligen Umarmungen waren bei den Mitgliedern des Teams immer willkommen.
Coach Frank kam zu mir und setzte sich neben mich.
»Das ist eigentlich nicht der Club, in dem man so viel Hingabe erwarten kann, wie man sie bei Tim sieht«, sagte er zu mir. »In seinem alten Verein gab es einen viel größeren Konkurrenzkampf. Dort wird diese Hingabe von den Trainern gefordert, auch wenn sie vermutlich nicht so oft erreicht wird. Tim‘s Motivation kommt von ihm selbst. Ich bin mir noch immer nicht sicher, ob er bei einem konkurrenzfähigeren Verein nicht doch besser aufgehoben wäre.«
»Tim bekommt hier wirklich alles, was er braucht«, sagte ich. »Er braucht keinen Konkurrenzkampf, sondern diese Atmosphäre hier. Er konkurriert ohnehin nur mit sich selbst. Die Jungs, die besser sind als er, inspirieren ihn und er freut sich über ihre Erfolge. Tim will nicht besser werden, um die anderen zu schlagen. Er will besser werden, um seine Leistung des Vortages zu schlagen.«
»Ich glaube, du hast recht«, sagte er nachdenklich. »So habe ich noch nie darüber nachgedacht.«
Coach John kam ebenfalls zu uns und setzte sich.
»Es ist Zeit für den Schwebebalken. Tim kann nicht einen Tag ohne.«
Er grinste und sah mich an.
»Beobachte die anderen, wenn er anfängt. Alle Augen werden auf Tim gerichtet sein. Ich bin mir nur nicht sicher, ob sie sehen wollen, was er heute macht oder ob sie darauf warten, dass er sich das Genick bricht.«
Dieses Mal startete Tim seine Routine im Stehen auf dem Balken. Dann ging er in einen einhändigen Handstand über und machte zwei volle Umdrehungen auf seinen Fingern.
»Unmöglich«, murmelte Frank.
Tim ging zu einer akrobatischen Routine über, die er mit einem doppelten Salto beendete. Die Landung stand er perfekt.
»Ich würde gerne ein einziges Mal sehen, dass er bei der Landung nicht am Boden kleben bleibt«, sagte John bewundernd. »Es ist, als ob er Klettverschluss an den Füßen hätte.«
»Hast du mal nachgesehen?«, fragte ich ihn.
»Ja, verdammt. Natürlich habe ich das. Aber es macht überhaupt keinen Sinn. Das Zeug würde an der Matte nicht haften.«
Tim bekam von seinem Publikum Applaus. Er verneigte sich kurz und ging zum Sprung über, seinem schlechtesten Element.
»Das macht er normalerweise nach dem Schwebebalken«, kommentierte John. »Es ist seine Art, den anderen zu zeigen, dass er nicht all zu gut ist. Ich denke, dass jeder weiß, warum er das macht. Und sie wissen es zu schätzen.«
Tim kam wenig später zu uns. Das Training war beendet und er wollte direkt nach Hause fahren.
»Dann können wir zusammen duschen«, sagte er so leise zu mir, dass nur ich es hören konnte. Ich stimmte zu und wir stiegen ins Auto.
»Du hast noch einen langen Weg und viel Arbeit vor dir, bis du gut genug bist, um an die Olympischen Spiele zu denken«, sagte ich. »Zu schade, dass der Schwebebalken kein Männerelement ist.«
»Ich bin inzwischen froh, dass er es nicht ist. Er ist die einzige Erholung, die ich während des Trainings habe. Wenn du es zu einem olympischen Element machst, ist meine Entspannung dahin.«
»Meinst du denn, dass du es zu den Spielen schaffst?«
»Ja«, sagte er überzeugt.
Es lag nicht der Hauch eines Zweifels in seiner Stimme.
»Dann hast du einen Plan?«
»Vielleicht«, sagte er kryptisch. »An der University of North Dakota gibt es kein Turnen. Ich werde selbst ein Programm starten müssen. Aber das ist gut, denn es wäre nur eine kleine Gruppe. Da kann man sich besser konzentrieren. Ich werde mich von Zeit zu Zeit nach einem richtigen Coach umsehen müssen. Aber ja, ich werde auch als Turner in Peking antreten.«
»Gut«, sagte ich einfach nur.
Wenn er sich so sicher war, warum sollte ich Zweifel sähen?
»Dann kann ich mit meinem Partner, dem Turmspringer, bei der Eröffnungsfeier und mit meinem Partner, dem Turner, bei der Abschlussfeier einlaufen.«
»Das werden die zweitbesten 2 Wochen meines Lebens. Ich
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