Timbuktu
herbeigestürmt. Angelockt vom Geräusch des Rülpsers, das ihn köstlich amüsiert hatte, beugte er sich zu Mr. Bones’ Gesicht vor und produzierte seinerseits ein Bäuerchen, was ihn noch mehr amüsierte. Das Ganze entwickelte sich zu einer weiteren wilden Szene, doch bevor die Sache außer Kontrolle geraten konnte, schnappte sich die Mutter den Kleinen und stand auf. Sie sah zu Alice hinüber, die an der Küchentheke lehnte und Mr. Bones ernsthaft und eingehend betrachtete. »Und was machen wir jetzt mit ihm, Baby?« sagte die Frau.
»Ich finde, wir sollten ihn behalten«, erwiderte Alice.
»Das können wir nicht. Wahrscheinlich gehört er jemandem. Das wäre so wie Stehlen.«
»Ich glaube nicht, daß er auch nur einen einzigen Freund auf der Welt hat. Schau ihn dir doch an. Er ist bestimmt tausend Meilen weit gelaufen. Wenn wir ihn nicht aufnehmen, wird er sterben. Kannst du das vor deinem Gewissen verantworten, Mama?«
Das Mädchen hatte den Bogen raus, soviel stand fest. Sie wußte genau, was sie sagen mußte und wann, und während Mr. Bones dastand und zuhörte, wie sie mit ihrer Mutter redete, fragte er sich, ob Willy die Macht gewisser Kinder nicht unterschätzt hatte. Alice mochte nicht der Boß sein, und sie mochte auch nicht die Entscheidungen treffen, aber ihre Worte trafen den Nagel auf den Kopf, und das mußte zwangsläufig Wirkung erzielen und die Dinge eher in die eine als die andere Richtung lenken.
»Schau dir mal sein Halsband an, Liebling«, sagte die Frau. »Vielleicht findet sich da ein Name oder eine Adresse oder so was.«
Mr. Bones wußte genau, das dem nicht so war, weil Willy sich nie mit Dingen wie Hundesteuern, Marken oder protzigen metallenen Namensschildchen abgegeben hatte. Alice kniete sich neben ihn und ließ das Halsband auf der Suche nach irgendwelchen Angaben zu seiner Identität oder der seines Besitzers durch ihre Finger gleiten, und da Mr. Bones schon wußte, wie die Suche ausgehen würde, machte er sich den Augenblick zunutze und genoß die Wärme ihres Atems, der ihm hinter dem rechten Ohr vorbeistrich.
»Nein, Mama«, sagte Alice schließlich. »Nur ein schlichtes, abgeschabtes Halsband.«
Zum erstenmal in der kurzen Zeit, die er sie kannte, sah der Hund, wie die Frau ins Zögern geriet. Leise Spuren von Verwirrung und Trauer stiegen ihr in die Augen. »Also, ich habe nichts dagegen, Alice«, sagte sie. »Aber ich kann erst ja sagen, wenn wir mit deinem Vater darüber gesprochen haben. Du weißt, wie sehr er Überraschungen haßt. Wir werden warten, bis er heute abend nach Hause kommt, und dann werden wir gemeinsam entscheiden. In Ordnung?«
»In Ordnung«, sagte Alice, ein wenig ernüchtert durch diese unentschlossene Antwort. »Aber es steht drei gegen einen, selbst wenn er nein sagt. Das ist nur fair, oder? Wir müssen ihn einfach behalten, Mama. Ich werde mich hinknien und den ganzen Tag zu Jesus beten, daß er Daddy dazu bringt, ja zu sagen.«
»Das brauchst du nicht«, erwiderte die Frau. »Wenn du wirklich helfen willst, machst du die Tür auf und läßt den Hund hinaus, damit er sein Geschäft verrichten kann. Und dann schauen wir mal, ob wir ihn nicht ein wenig säubern können. Sonst klappt das auf keinen Fall. Er muß einen guten ersten Eindruck machen.«
Für Mr. Bones ging die Tür keinen Augenblick zu früh auf. Nach drei Tagen des Hungerns, in denen er kaum mehr als ein paar Fingerhutvoll Reste und Müll gefressen und in allem möglichen leicht verdorbenen Eßbaren herumgewühlt hatte, war ihm die Üppigkeit des Fressens, das er soeben heruntergeschlungen hatte, mit geradezu traumatischer Wucht auf den Magen geschlagen, und nun, da seine Verdauungssäfte wieder auf Touren kamen und Doppel- und Dreifachschichten einlegten, um diesen plötzlichen Überfall zu verkraften, mußte er sich alle Mühe geben, nicht den Küchenboden zu beschmutzen und für immer verbannt zu werden. Er lief hinter ein Gebüsch, damit ihn niemand sah, doch Alice folgte ihm, und zu seiner unendlichen Scham und Schande blieb sie bei ihm stehen und sah die fürchterliche Explosion bräunlicher Flüssigkeit, die ihm aus dem Gedärm schoß und auf die Blätter unter ihm platschte. Als das geschah, gab sie einen kleinen Laut des Ekels von sich, und Mr. Bones war es derart peinlich, sie so gekränkt zu haben, daß er einen Moment lang am liebsten auf der Stelle tot umgefallen wäre. Aber Alice war kein gewöhnlicher Mensch, und obwohl er das inzwischen schon genau wußte, hätte er
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