Time Travel Inc. - Rewind (Die Zeitreise Chroniken) (German Edition)
mochte seine liebe Geste dann aber auch nicht ausschlagen. Vor meiner Haustür angekommen, wurde er dann aufdringlich. Er zerrte mich in mein Zimmer und versuchte, sich mit Gewalt an mir zu vergreifen.« Tränen der Wut und Verzweiflung stiegen ihr in die Augen.
»Das ist ja grauenvoll!«, rief ich etwas zu laut.
»Ja, ja, ich weiß! Ich bin gelegentlichen, rauen Umgang ja gewöhnt, aber ich dachte, er wäre ganz anders.«
»Oh Mary, das tut mir so leid.« Ich legte ihr einen Arm um die Schulter und sie schluchzte hemmungslos.
»Es kommt ja noch schlimmer!«, fuhr sie fort. »Als ich ihm nicht geben wollte, wonach er verlangte, scheuerte er mir eine und ich tat es ihm sofort gleich. Daraufhin brüllte er mich an, ich wäre doch bloß eine dreckige Hure und solle mich nicht so anstellen. Er hat sich dann einfach mit Gewalt an mir vergriffen. Ich hatte keine Chance. Als er fertig war, flippte ich völlig aus und warf eine Porzellanfigur nach ihm und schließlich zog er wütend ab.«
Ich streichelte ihren Arm und sie versuchte, sich wieder unter Kontrolle zu bringen.
»Na ja, und heute Morgen, ich war gerade dabei, mich für unser Frühstück fertigzumachen, da kam Jack zu mir.«
Jack war ihr Zuhälter, so viel wusste ich. Ein recht unangenehmer Bursche. Aber was wollte man von einem Zuhälter schon erwarten?
»Er erzählte mir, dass Harry in der Nacht noch bei ihm gewesen war.«
»Also wusste er die ganze Zeit, was du machst, und für wen du arbeitest!«
»Ja, er kennt Jack. Wahrscheinlich dachte er, es gäbe eine Art Freundschaftsrabatt oder etwas in der Art. Jack sagte, er hatte behauptet, dass ich einen horrenden Preis von ihm verlangt hätte und ihn, als er nicht zahlen wollte, mit einem Messer bedroht hätte. Dieser Mistkerl!«
»Aber konntest du ihn nicht von der Wahrheit überzeugen?«, fragte ich sie. Was für eine dumme Frage. Hätte sie ihn überzeugen können, säßen wir jetzt ja nicht gemeinsam im Zug, dachte ich.
»Ach nein, Jack warf mir vor, in die eigene Tasche zu wirtschaften. Ich weiß, wie er in der Vergangenheit mit den Mädchen umgegangen ist, die so etwas gemacht haben. Ich hatte gar keine Gelegenheit mehr, mich weiter zu rechtfertigen. Er gab mir eine Stunde, um meine Sachen zu packen und zu verschwinden. Es dürfe nicht die Runde machen, dass seine Mädchen unter der Hand arbeiteten und auf die Freier losgingen …«
»Und er hat dich einfach aus der Stadt gejagt? Aber das ist doch Wahnsinn!«, wütete ich.
»Ich hätte auch bleiben können, aber dann hätte ich doch nirgends Arbeit gefunden. Ich denke nicht, dass so eine Geschichte bei den New Yorker Zuhältern gut ankommt.«
»Ja, da hast du wohl recht«, erwiderte ich zustimmend. Verflucht! Ich war zwar ziemlich enttäuscht gewesen, als Mary heute Morgen nicht aufgetaucht war, aber sie jetzt bei mir zu haben, war auch nicht besser. Sie würde mich auf meiner Reise nur behindern. Andererseits wäre ich so wenigstens nicht allein unterwegs. Sie fing wieder an zu weinen und ich schaukelte sie sanft hin und her.
»Ach Mai, ich hatte mich so auf den Abend gefreut. Ich habe ihn wirklich für einen netten Kerl gehalten und dachte, dass ich vielleicht wenigstens dieses eine Mal wie ein ganz normales Mädchen mit einem Mann ausgehen könnte, verstehst du?« Sie sah mich mit ihren großen braunen Augen verzweifelt an und wartete auf ein Wunder.
»Ich weiß, ich weiß«, sagte ich und drückte sie ganz fest. Mehr fiel mir nicht ein. Was sollte man zu dieser Situation schon sagen? Glücklicherweise hatte Mary ein dickes Fell und würde sich bestimmt schnell erholen. Ich war sogar ziemlich sicher, dass sie viel mehr wütend als verängstigt war. Ihr Stolz war verletzt worden. Der Mann, in den sie sich verliebt hatte, hatte sich als Spinner entpuppt. Man hatte sie bedroht, des Betrugs beschuldigt und aus der Stadt gejagt. Ja, ich war mir ganz sicher, dass sie wütend war und dass sie darüber hinwegkommen würde.
Von der Aufregung völlig erschöpft, schlief Mary ein paar Minuten später ein. An Essen war jetzt nicht mehr zu denken. Zum einen hatten mir die Ereignisse dieses Vormittags gehörig den Appetit verdorben und zum anderen lag Mary quer auf meinem Schoß. Keine Chance also, unbemerkt in den Speisewagen zu huschen. Nach einer Weile schloss ich die Augen und döste ebenfalls ein. Vor dem Fenster sauste eine öde Landschaft vorbei, während der Zug uns beide geradewegs in die ungewisse Fremde brachte. Eine deutsche Zeitreisende und
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