Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
Schurze hoch, fegte Perücken von den Köpfen. Und riß den Papyrus aus Thuts Hand.
Die Gruppe zog sich unter das schützende Vordach zurück, um von dort aus weiter zuzuschauen. Der Wind begann, Teile der Wolke zu verwehen, und kurz darauf wurde das Tosen des Sturmes von einem lauten Surren überlagert. Nur Thut stand noch im Garten, nun ohne goldenen Kragen und Perücke, die Beine breit gegen den Boden gestemmt, um den anbrandenden Windböen standzuhalten.
Die Wolke begann, vom Himmel zu fallen. Es regnete Heuschrecken! Chloe kreischte auf, als die Tiere klickend mit ihren Panzern am Boden aufschlugen. Sie waren riesig. Chloe hatte schon viele Heuschrecken gesehen, hatte einmal sogar welche gegessen, um eine Wette zu gewinnen. Die hier allerdings verschlugen ihr den Atem! Vom Appetit ganz zu schweigen.
Heuschrecken gehören zur Familie der Geradflügler, memorierte sie, haben zwei kräftige Sprungbeine und sind grün, gold und braun gefärbt. Allerdings waren diese Mistviecher hier nicht mit den üblichen, drei Zentimeter langen Grashüpfern zu vergleichen, sondern sieben bis zwölf Zentimeter lang und schwarz-gelb gestreift. Schon hatten sie mit laut dröhnenden Kaugeräuschen das Gras vom Erdboden abgefressen. Zu Tausenden waren sie vom Himmel gefallen und marschierten jetzt wie eine riesige Armee durch den Garten, um alles Lebende in Reichweite zu verzehren.
Es war, als würde man einen Farbfilm anschauen, der plötzlich zu Schwarz-weiß verblaßt.
Mit vorgeschobenem Unterkiefer und schmalen Lippen sah Cheftu zu Chloe herüber. Sie las Kummer und Reue in seinen goldenen Augen. Die Menschen verzogen sich hastig in ihre Gemächer, selbst Thut wich nun unter das Vordach zurück. Mit jeder Minute fielen mehr Heuschrecken vom Himmel. Sie krabbelten übereinander hinweg, machten sich über die Pflanzen her, erkletterten die Mauer, um die restlichen Kletterpflanzen zu verschlingen, erklommen Bäume, fraßen sich durch die schützende Borke und verspeisten die knospenden grünen Blätter. Chloe wurde es Übel.
Cheftu war zu Thut getreten. Der Prinz starrte hinaus in seinen braunen, blattlosen Garten, während die Heuschrecken in die Beete nebenan weiterzogen.
»Meine Majestät«, setzte Cheftu an, und Thut fuhr mit einem Ruck zu ihm herum. Er hat nicht einmal gemerkt, daß wir hier sind, dachte Chloe. »Wäre es nicht besser, hineinzugehen, Prinz?« fragte Cheftu.
Thuts langgeschminkte Brauen zogen sich zusammen. »Nein. Ich werde mit meinem Streitwagen über die Felder fahren. Wir müssen erfahren, welche Zerstörung in Ägypten angerichtet wurde.« Cheftu verbeugte sich und wandte sich ab, und dann hörte Chloe, wie Thut leise ergänzte: »Schließlich sind wir dafür verantwortlich.«
Nicht alle hatten ihre Gemächer auf die Heuschreckeninvasion vorbereitet, darum verbrachten Chloe und Cheftu fast den ganzen Tag damit, von Zimmer zu Zimmer zu ziehen, alle Fenster und Lüftungslöcher zu versiegeln und den Sklaven aufzutragen, die übriggebliebenen Heuschrecken zu töten. Das war keine leichte Aufgabe, denn die Insektenkörper steckten in einem festen Panzer.
Schließlich waren die meisten Heuschrecken vernichtet, und den Bewohnern wurde aufgetragen, die versiegelten Öffnungen nicht wieder zu öffnen. Das Wetter war ihnen keine Hilfe. Es war unerträglich heiß und trocken, und bei Anbruch der Nacht lagen alle Nerven bloß.
Es kursierte das Gerücht, daß Thut den ganzen Tag im Heuschreckenregen verbracht hatte und durch das gesamte Delta gereist war, um das Ausmaß der Zerstörung in Augenschein zu nehmen. Er hatte Kuriere nilaufwärts geschickt, die Hatschepsut, ewig möge sie leben!, abfangen sollten – es sah so aus, als wären die Heuschrecken überall. Gleich nach seiner Rückkehr in den Palast hatte Thut alle seine Gefolgsleute weggeschickt und sich schweigend in seine Gemächer zurückgezogen.
12. KAPITEL
Als am nächsten Morgen die Sonne aufging, war Cheftu bereits aufgestanden. Chloe quälte sich aus dem Bett und schleppte sich in den Wohnraum. Er kniete an der Tür zum Garten und flickte die trocknenden Lehmziegel im Türrahmen. Von draußen war ein hohes Quietschen zu hören. Sie hielt sich die Ohren zu. »Was ist das?« rief sie.
»Die Heuschrecken. Sie schreien in der Sonne.« Er zeigte auf den Tisch. »Steck dir Wachs in die Ohren.«
Nachdem Chloe den fettigen Talg zwischen den Fingern weichgeknetet hatte, stopfte sie sich die Masse in die Ohren; das nervenzerreißende Pfeifen wurde
Weitere Kostenlose Bücher