Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
leiser, doch die Vibrationen der Abermillionen Heuschrecken spürte sie trotzdem. Sie stieg in ihre Sandalen und trat in den Gang.
Dort wimmelte es von Wanderheuschrecken.
Mit zusammengebissenen Zähnen machte sie sich auf den Weg und zermalmte dabei unzählige Heuschrecken zu Brei, während andere über ihre Füße krabbelten. Bis sie in der Küche angekommen war, konnte sie sich nicht mehr vorstellen, auch nur einen Bissen hinunterzuwürgen, trotzdem wollte sie genau wissen, was sie heute essen würden. Ein paar Sklaven waren im äußeren Hof zugange, und aus dem wabenförmigen Ofen stieg dicker Qualm und der Duft nach gebackenem Brot auf.
Die Köchin war überrascht, eine Adlige in der Küche zu sehen schien sich aber über die Unterstützung zu freuen, da sie so knapp an Personal war. Alle hatten Wachs in den Ohren und mußten sich per Zeichensprache verständigen. Angewidert beobachtete Chloe wie einer der Sklaven Heuschrecken als Brennstoff in den Ofen schaufelte. Sie legte ein paar Laib Brot in ihren abgedeckten Korb und nahm sich einen Krug mit Milch. Als sie wieder bei ihren Räumen ankam, war die Milch mit Heuschrecken bedeckt.
Ich fände sie nicht ganz so eklig, dachte sie, wenn sie mir nicht dauernd ins Gesicht fliegen und mich anspucken würden. Der Gang durch den Garten war wie eine Szene aus einem Hitchcock-Film. Um sie herum hörte sie den millionenfach widerhallenden Lärm der kauenden, beißenden, reißenden, alles vernichtenden Heuschrecken. Sogar ihr Kleid war von Insekten bedeckt, und mühsam verkniff sie sich einen Schrei, als sie spürte, wie die Tiere unter ihrem Rock an ihren Beinen hinaufkletterten und sich in ihrem Leinengewand einnisten wollten.
Als sie den Gang erreicht hatte, bürstete und stampfte sie die Heuschrecken von ihrem Körper, schöpfte die krabbelnden Viecher aus der Milch, schüttelte sie aus ihren Haaren und ihren Kleidern und trat schließlich in ihre Gemächer. Sie hatte den größten Teil des Vormittags verpaßt sowie auch Cheftu und Ehuru. Chloe entzündete eine der qualmenden Fackeln, setzte sich hin, legte die Füße auf den Stuhl gegenüber und schlang den Rock so fest wie möglich um ihre Beine.
Sie riß ein Stück Brot ab und aß es, dann schenkte sie etwas von der warmen Milch in ein Glas, brachte aber keinen Schluck mehr davon herunter, nachdem sie ein abgerissenes Heuschreckenbein ausgespuckt hatte.
Die Heuschrecken fraßen an dem feuchten Ziegellehm, und Chloe konnte im matten Fackellicht erkennen, daß die Schutzmauer nicht mehr lange halten würde. Mit sinkendem Mut floh sie ins Schlafzimmer – knirsch, stampf, knirsch – und holte ihren Notbehelf von einem Skizzenbuch heraus.
Mit geschlossenen Augen versuchte sie, sich den Alptraum draußen auszumalen. Die eben erst knospenden Bäume waren bis unter die Borke abgefressen, alle Mauern waren kahl und sämtliche Wasserflächen von Heuschrecken bedeckt. Sie rief sich das resignierte Entsetzen auf den Gesichtern der wenigen Menschen vor Augen, die ihr draußen begegnet waren.
Das Licht erlosch im Fackelhalter, und Chloe blieb in absoluter Dunkelheit zurück. Fluchend schlüpfte sie in ihre Sandalen, erstickte einen Schrei, als ihr Fuß eine Heuschrecke aufspürte, und machte sich dann vorsichtig auf die Suche nach einer neuen Fackel. Alle waren abgebrannt – bei allen war das Öl verfeuert, so daß nur noch der trockene, strohähnliche Stummel zurückgeblieben war. Sie blickte in Richtung Gartentür und hielt Ausschau nach Lichtstrahlen, die durch die Spalten im Holz hereindrangen, doch dort war nichts zu sehen. Ich habe doch bestimmt nicht den ganzen Tag gezeichnet, dachte sie. Dennoch schien das immer wahrscheinlicher.
Mit zusammengebissenen Zähnen, um das Flattern und Flügelschlagen der aufgeschreckten Heuschrecken zu ertragen, schlurfte sie zu der Tür zum Gang. Dort angekommen, drückte sie das Türblatt auf und starrte in die schummrigen Tiefen. Sie zog sich einen Wachsklumpen aus dem Ohr. Himmlische Stille! Am anderen Ende des Ganges funzelte eine einsame Fackel, und dahinter blickte Chloe in die sternlose Nacht. Was würde ich nicht geben für eine Uhr, dachte sie. Fast soviel wie für eine Zigarette oder einen anständigen Bleistift!
Dann verscheuchte sie die unproduktiven Gedanken und musterte den Gang auf und ab, wo sich jedoch nirgendwo ein Lebenszeichen zeigte, abgesehen von den Abermillionen glubschäugiger Freßmaschinen natürlich, die sich über ganz Ägypten hinwegwälzten. Sie
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