Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
zu bitten, daß du mithilfst! Ich jage, und du machst sauber und kochst, aber wir müssen zusammenarbeiten! Und jetzt hör auf, dich so kindisch, infantil und lächerlich zu betragen, und komm zum Essen, bevor der Löwe …« Seine Miene gefror, und er wiederholte: »Der Löwe«, bevor er zum Feuer zurückrannte. Chloe hörte sein Gebrüll über den ganzen Strand und sah ihn sein Essen verfolgen, das nun auf goldenen Pfoten vor ihm floh. Cheftus frustrierte Flüche flogen durch die Luft, dann sah sie ihn verärgert beide Hände hochreißen.
Ein paar Minuten darauf ging sie zu ihm. Er saß auf dem Boden, den Rücken ihr zugewandt, das Gesicht auf die verschränkten Arme gelegt. »Cheftu?« Er rührte sich nicht, nahm sie mit keinem Wort zur Kenntnis. Sie legte eine Hand auf seinen Nacken und spürte die verspannten, zu Knoten erstarrten Muskeln. Sie ließ sich auf die Knie fallen und begann, die Knötchen zu massieren. So saßen sie, bis es ganz dunkel war, Chloe damit beschäftigt, ihn von seinen Verspannungen zu befreien, und Cheftu mit abgewandtem Gesicht und in sich verschlossen. Sie spürte die leichten Erhebungen seiner Brandnarben und die Muskeln und Sehnen, die sie so viele Male getragen, geheilt und gerettet hatten. Sie sollte ihm dankbar sein.
Statt dessen war sie sauer.
Sie wollte nicht der schwächere Partner sein! Ihr ganzes Leben lang hatte sie in fast jeder Hinsicht mit jedem Mann mithalten können. Es war nicht leicht gewesen, gut, doch sie hatte sich Respekt verschafft, selbst bei den Draufgängern in ihrer Klasse, und das hatte sie gestärkt. Bei Cheftu hatte sie immer nur geweint, sie war in Ohnmacht gefallen, krank und schwach gewesen. Sie ließ die Hände sinken. Mit einer ungleichen Beziehung konnte sie nicht umgehen. Denn ihr stand ständig ein Beispiel für eine gleichwertige Beziehung vor Augen. Ihre Eltern hatten einander mit so viel Hingabe geliebt, daß Chloe manchmal das Gefühl gehabt hatte, eigentlich brauchten sie gar keine Kinder. Vater arbeitete in irgendwelchen obskuren Staaten im Nahen Osten, und Mom machte dort Ausgrabungen und schmiß phantastische alkohol- und schweinefleischfreie Parties.
Chloe liebte Cheftu mit Leib und Seele, doch sie konnte und würde nicht mit ihm zusammenleben, wenn er sie nicht respektierte. Und wie sollte sie den Respekt eines Mannes aus dem neunzehnten Jahrhundert gewinnen? Selbst im alten Ägypten hatten die Frauen mehr Macht und Freiheiten als während seiner Epoche. Ganz egal, wie lange er schon in Ägypten lebte, die ersten sechzehn Jahre war er Franzose gewesen. Sie wußte nur zu gut, daß man ein Kind in ein anderes Land und andere Sitten verpflanzen konnte, doch niemals vollkommen das Land und seine Sitten in ein Kind.
Mit einem Seufzer wandte sie Cheftu den Rücken zu, hockte sich hin und starrte hinaus in die anrollende Flut. Sie hörte ein lautes Knurren und stellte peinlich berührt fest, daß das ihr Magen war.
»Wir haben immer noch die Austern«, meinte Cheftu müde. Offenbar hatte er es auch gehört.
»Ich hole sie. In welchem Tümpel?« fragte Chloe im Aufstehen.
»Dem dritten von rechts.«
Die Tümpel zählend, stieg sie über die Felsen. Der Mond stand schon am Himmel, eine schmale Sichel nur, doch das Licht reichte, um ihr den riesigen Haufen von Austern zu zeigen. Cheftu mußte getaucht haben, um so viele zu sammeln, dachte Chloe, während sie die Schalen in ihr zerfetztes Gewand hob. Dann stolperte sie zurück zum Feuer.
Es loderte jetzt hell auf, und Cheftu hatte das Brot herausgeholt. Das Papyruspaket war offen, und Chloe sah, daß gedämpfte, knackige Kräuter und Zwiebeln darin eingewickelt waren. Sie begann, die Austern mit dem Messer aufzustemmen, wobei sie sich mehrmals in den Finger stach, aber alle Flüche hinunterschluckte.
Die Austern waren delikat, ganz anders als die in Chemiebrühe gewachsenen, die Chloe im zwanzigsten Jahrhundert gekostet hatte. Sie stopften die Kräuter, größtenteils wilder Knoblauch, in das ungesäuerte Brot und schmausten mit Appetit, den Wasserschlauch schweigend hin und her reichend.
Als sie fertig waren und zwischen den leeren Austernschalen und dem niedergebrannten Feuer saßen, war Chloes Magen gespannt wie eine Trommel. Sie hatten kein einziges Wort miteinander gewechselt, und der junge Löwe hatte nicht gewagt, sich irgendwo zu zeigen. Cheftu blieb verschlossen, wich ihrem Blick aus und saß zusammengekrümmt da, den Blick aufs Meer gerichtet. Chloe gähnte zum siebten Mal,
Weitere Kostenlose Bücher