Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
Hatschepsut, ewig möge sie leben!, stand über ihm. Er wiederholte: »Befiehlt mir?« Dann erst wurden ihm die arroganten Worte des Sklaven wirklich bewußt. »Befiehlt mir? Niemand befiehlt mir irgend etwas. Niemand!« Vor Zorn lief sein Gesicht lila an. »Ich kenne euren Gott nicht, und ich werde euch nicht gehen lassen!«
Ungerührt beharrte der Anführer auf seiner Bitte. »Der Gott der Israeliten ist uns erschienen. Laß uns nun hinziehen in die Wüste, damit er uns nicht schlage mit Pest oder Schwert.«
Thut ging auf den Anführer zu und blieb so dicht vor ihm stehen, daß alle Umstehenden sein wutentbranntes Flüstern hören konnten. »Wie heißt du, Sklave? Du wagst es, mir mit deinem lächerlichen Gott zu drohen? Mach dich mit deinen Leuten lieber wieder an die Arbeit.« Er entließ die Gruppe mit einer knappen Geste und erklomm wieder das Podest mit seinem Thron.
Noch während die Apiru in Hörweite waren, rief er laut: »Schreiber, schick all meinen Aufsehern und Architekten die folgende Botschaft, die von diesem Augenblick an gelten soll. Schreib: ›Offenbar haben die Stämme zuviel freie Zeit, da sie Feiern und Gottesdienste planen können. Von nun an sollen jene Völker unter den Apiru, die‹«, er konsultierte den Papyrusfetzen, den ihm sein Zeremonienmeister reichte, »›Aharon und Ramoses als Führer haben, das Stroh für die Ziegel, die das Große Haus von ihnen bekommt, selbst sammeln. Die Menge der zu liefernden Ziegel bleibt dabei unverändert.‹«
Und vor sich hin knurrte er: »Faule, freche Lumpenbande. Nur deshalb wollen sie in die Wüste. Wenn man den Ausländern genug zu tun gibt, wird ihnen das Lügen und Träumen schon vergehen.«
Thut blieb die Genugtuung zu sehen, wie die Schultern des Gehilfen mutlos herabsackten. Der Anführer hingegen blieb aufrecht stehen, die braune Hand fest um den krummen, knorrigen Stab geschlossen.
Ich werde euch lehren, den Sohn von Thutmosis zu verärgern! dachte er.
Er setzte sich und rief nach einem Bier. Es würde doch noch ein schöner Tag werden.
WASET
Staunend schaute Chloe, in ihrer Sänfte ruhend, hinaus. Sie war im alten Ägypten und würde gleich dem Pharao begegnen. Was würde Camille nicht dafür geben, einen einzigen Tag hier zu verbringen! Die Vorstellung, wie ihre Schwester mit offenem Mund und riesigen indigoblauen Augen durch dieses Land stolpern würde, brachte Chloe beinahe zum Lachen. Unter Bashas neugierigem Blick unterdrückte sie es zu einem Husten. In Chloes Augen brannten Tränen, als sie daran dachte, was sie verloren hatte. Vorübergehend verloren hatte, ermahnte sie sich grimmig.
Die Leibgardisten bedachten ihre offenen Vorhänge zwar mit mißbilligenden Blicken, doch sie hätte es nicht ertragen, sie zu schließen. Längs dem Ufer erhob sich Karnak, von wo aus eine breite Allee ins alte Theben führte, das hier Waset hieß, und eine zweite zu den Häusern der Adligen und dem Palast. Ihr Transportmittel eilte dahin, während Chloes Blick hierhin und dorthin schoß, um die sattgrüne Uferlandschaft vor dem azurblauen Nil aufzunehmen. Bäume beugten sich über die Straße und gewährten kleine Flecken von Schatten gegen die Wintersonne über ihnen. Die Lehmziegelhäuser der Adligen hatten Flachdächer und weißgekalkte Wände und hinter ihren Mauern, wie sie wußte, stille Innenhöfe, kühle, schillernde Wasserbecken und ganze Familien von Apiru-Sklaven. Nur die Götter wohnten im alten Ägypten in festen Steinhäusern.
Sie liefen durch das Palasttor und blieben stehen. Mit Bashas Hilfe und neuen Sandalen stieg Chloe aus der Sänfte und wurde durch eine Folge von bemalten und vergoldeten Höfen und Hallen geführt, bis sie an Hats Audienzsaal angekommen waren. Mit zitternder Hand strich Chloe ihre Perücke glatt, als sie zum ersten Mal ihre Titel verkündet hörte.
»Die Herrin RaEmhetepet, Geliebte der Nacht, Dienerin Res in Silber, Sprecherin der Schwesternschaft und Priesterin Hathors. In der Gunst des Großen Hauses.«
Der Zeremonienmeister stieß seinen Stab auf den Boden, und Chloe trat, von der »anderen« geführt, in den langen, schmalen Raum. Gold und weiß gekleidete Edelmänner und glitzernde Damen standen an den Wänden aufgereiht wie für einen stilvollen Spießrutenlauf. Sie bemerkte, wie sich ein paar Köpfe grüßend neigten, als sie vorbeiging.
Am anderen Ende erhob sich ein Podest, auf dem eine der umstrittensten Frauen in der gesamten Weltgeschichte saß. Sie, das »Große Haus«, thronte steif
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