Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
auf einem goldenen Sessel, die Füße in goldenen, geschwungenen Zehen-Sandalen auf einen Leopardenhocker gestemmt, die Arme verschränkt und die Insignien ihres Amtes fest mit den beringten Fingern umfassend. Im Näherkommen erkannte Chloe, daß Hatschepsut tatsächlich wie ein Mann gekleidet war, nämlich nur in Schurz und Kragen, was ihre unübersehbar weiblichen, großen Brüste und ihre langen, lackierten Fingernägel noch hervorhob.
Ihre breite Stirn erhob sich glatt über den festen, weit auseinanderliegenden Augen, umrahmt von schweren goldenen und mit vielen Edelsteinen verzierten Ohrringen. Ihr breiter Mund war mit Gold bestäubt, und an ihrem spitzen Kinn war der künstliche Pharaonenbart aus Lapis und Gold befestigt.
Vor dem Podest warf sich Chloe zu Boden.
Minuten vergingen, ehe ihr erlaubt wurde, sich zu erheben. Die »andere« warnte sie, daß das ein schlechtes Zeichen war. Endlich gebot man ihr, in Hats schwarze Augen zu blicken. Chloe empfand Angst, Respekt und Staunen. Diese Frau hatte während der gesamten fünfzehn Jahre ihrer Regentschaft ihrem Land den Frieden bewahrt.
»Edle Dame RaEmhetepet, Meine Majestät ist immer noch voller Trauer, daß du mich nicht mit eigener Stimme begrüßen kannst. Wie der weise Ptah-Hotep sagte: beschränke dein Herz auf das, was gut ist, und schweige, denn Schweigen ist wichtiger als die Tef-tef-Pflanze. Beschränkt sich dein Herz auf das, was gut ist, meine edle Dame? In Waset hört man beunruhigende Gerüchte über einen unbekannten Besucher, den du gehabt haben sollst, während du der Göttin Hathor dientest.«
Pharaos Stimme war tief und kehlig und hatte einen unmißverständlichen Befehlston. Chloe errötete, als Hats Blick kurz auf ihre Füße fiel. Hatte Basha denn jedem von ihren Füßen erzählt? Chloe gab sich Mühe, keinerlei Regung zu zeigen, solange sich nicht abzeichnete, wohin das alles führen würde. »Vielleicht sind nach einem so hochgeschätzten Besuch wir übrigen deiner geistreichen Unterhaltung nicht würdig?« Diese spitze Bemerkung führte überall im Raum zu kurzem Getuschel. Chloe lächelte bedauernd und zog die vorbereitete Papyrusnotiz aus ihrer Schärpe. Nachdem sie dem Schreiber das Schriftstück überreicht hatte, durchquerte sie die Vorderseite des Raumes, während er den Papyrus an Hat weiterreichte, damit sie ihn las.
Der ganze Palast war ein lebendes Kunstwerk, angefangen von den kushitischen Sklavenjungen, die riesige, schimmernde Fächer aus Pfauenfedern über Hats Kopf schwenkten, bis zu den schwarzen nachgezogenen Augen und obsidianschwarzen Leibern ihrer rot und gold uniformierten Leibgardisten, deren eingeölte Leiber im hereinfilternden Sonnenlicht glänzten. Unbewußt hielt Chloe Ausschau nach einem bestimmten Gesicht und entdeckte es schließlich rechts am Rand.
Lord Cheftu lehnte lässig auf seinem ibisköpfigen Amtsstab, sein Gesicht wirkte dunkel zwischen dem rot-gold-gestreiften Kopftuch und dem schweren Goldkragen. Chloe riß den Blick von ihm los, denn eben sah Hat mit grimmigem Lächeln auf.
»›Die edle Dame bittet Meine Majestät um Vergebung, daß sie hier erscheint, ohne wieder sprechen zu können, und bittet um Nachsicht, während sie sich erholt‹«, las sie. Wieder heftete Hat ihren schwarzen, unergründlichen Blick auf Chloe. »Ich habe auch gehört, daß die edle Dame sich morgens unwohl fühlt?«
Chloe erbleichte, und die Spannung unter den Zuhörern wuchs. »Vielleicht braucht die edle Dame mehr als Ruhe?«
Chloe lächelte unsicher. Sie brauchte die »andere« nicht, um zu erkennen, daß es nicht gut für sie aussah.
»In Meiner Majestät Güte«, verkündete Hat, »habe ich beschlossen, daß du vollkommene Abgeschiedenheit und absolute Aufmerksamkeit haben sollst, bis du in der Lage bist, mir persönlich zu erklären, daß du wieder gesund bist. Wir können die RaEmhetep-Priesterin Hathors nicht ohne Hilfe lassen.« Sie machte eine rhetorische Pause. »Ich könnte mir vorstellen, daß das Grün des Deltas dir guttun wird. Der Palast«, ergänzte sie schmunzelnd, »soll dir zur Verfügung stehen. Ebenso wie –«, sie sah zu der Gruppe von Magiern, Ärzten und Sehern hinüber, »mein Leibarzt und Hemu neter Cheftu.«
Sie lächelte ihn an, und er senkte mit undurchdringlicher Miene den Kopf.
Was als Gemurmel begonnen hatte, wuchs sich nun zu einem Tumult aus. Chloe war klar, daß sie damit so gut wie verbannt war. Was hatte sie – Moment mal , was hatte RaEmhetepet getan, daß sie sich
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