Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
kleine Kuchen mit Nüssen in der Mitte; der gepökelte Fisch, der Chloe und den meisten anderen Priestern verboten war; Obst und Sesamzuckerstangen. Es war fast wie in jedem Suk im Nahen Osten, abgesehen von einer drastischen Ausnahme: keine Kaffeeverkäufer und keine Radios.
Vor dem Tempel bogen sie nach rechts ab in eine breite Allee mit großen, weißgekalkten Wohnhäusern zu beiden Seiten. Um jedes war ein Zaun mit Tor gezogen, doch manche der Tore standen offen und boten den Vorbeikommenden einen kurzen Blick auf blühende Gärten und erfrischende Wasserbecken. Sie eilten dahin, bis die Hitze und das Schaukeln Chloe auf höchst unangenehme Weise ihren Magen in Erinnerung riefen. Gerade als sich ihr Mittagessen von ihr verabschieden wollte, hielten sie an.
War dies ein weiteres von Cheftus Häusern?
Chloe durchsuchte die Erinnerung der »anderen«, doch darin war nichts über Cheftus Leben und Familie zu finden. Offenbar eine emotionale Erinnerung, dachte Chloe.
Ihr Zimmer im zweiten Stock war schlicht eingerichtet: eine Deckenumrandung und Paneele mit blauem Lotos waren auf die weißgekalkten Wände gemalt.
In der Ecke der Zimmerdecke waren Ba -Vögel zu sehen. Chloe trat näher. In der ägyptischen Gedankenwelt war der Ba - Vogel ein Teil der Seele, der das Grab verlassen konnte, nachdem der Mensch gestorben war. Er wurde durch einen Vogelkopf mit dem Gesicht des Verstorbenen dargestellt. Sie lächelte leise, als die »andere« ihr mitteilte, daß sie auf Cheftus Mutter und Vater in ihrer Ba -Vogel-Gestalt blickte.
Seufzend ließ sie sich nieder. Ein Kissen zierte die schlichte, unvergoldete Liege, die mit frisch gebleichten Leintüchern bezogen war. Chloe verzog das Gesicht angesichts der Kopfstütze. Sie haßte diese verdammten Dinger und war es leid, ihre Kleider zusammenknüllen zu müssen, um sie auszupolstern. Dann berührte sie das Kissen, das unter ihren Fingern in sich zusammensank. Gänsedaunen. Gelobt sei Isis!
Es gab einen schlichten Frisiertisch und einen Stuhl, und in einer Ecke war ein Spielbrett aufgebaut. Frischer Lotosduft lag in der Luft, und die Sonne schickte ihr Licht durch die mit Latten versehenen Fensteröffnungen. Chloe blickte auf Baumwipfel und hörte melodisches Vogelgezwitscher. Wieder einmal empfand sie Cheftus Heim als Hafen des Friedens.
Eine Sklavin trat ein und führte Chloe aufs Dach hinauf. Zu ihrer Rechten lag Noph und vor ihr der Fluß, wo am Kai und flußauf- wie abwärts Boote vertäut waren. Sie sah schwer arbeitende Menschen auf den Feldern zu ihrer Linken – Feldern, die sich über viele Kilometer erstreckten. Die Sklavin stellte einen Leinwandschirm um die Wanne herum auf, und Chloe tauchte in das warme Wasser und ließ den Kopf nach hinten sinken, während die Sonne ihre Haut streichelte und die Frau ihr das Haar wusch.
Als ihre Finger schrumplig zu werden begannen, stieg Chloe aus der Wanne und wickelte sich in eines der bereitgelegten Leinentücher. Sie ging die Treppe wieder hinab, wo ihre Augen einen Moment brauchten, ehe sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Unten saß eine zweite, diesmal ältere Frau, die eine Klinge schärfte. Sie kreuzte die Hand vor der ausladenden Brust und bat Chloe, sich zu setzen. Entsetzt sah Chloe zu, wie die Frau eine silberne Schere hervorholte und anfing, RaEms ebenholzschwarze Haare abzuschneiden.
Chloe wollte aufspringen, doch bei dem bloßen Gedanken daran schoß eine Woge lähmender Angst durch die »andere«. Falls sie sich weigerte, gab sie damit zu, ein Khaibit oder Kheft zu sein; vergleichbar einer Hexe aus Salem, die die heilige Kommunion verweigerte und dadurch ihr Schicksal besiegelte.
Reglos blieb Chloe sitzen, während ihr die Frau mit einem silbernen Rasiermesser den Kopf schor.
Dann rieb sie ein zu Kopf steigendes Parfüm in Chloes Haut – Weihrauchöl, dachte Chloe, während sie in ein schmuckloses weißes Gewand gehüllt wurde. Zum Glück hatte sie ihr gefälteltes Kopftuch, so daß sie nicht ganz so eierköpfig aussah. Die Frau zog Chloes grüne Augen mit einem roten Färbestift nach. Der Effekt war niederschmetternd; hinter der roten Farbe verblaßte die grüne Iris zu Grau.
Die »andere« erklärte ihr, daß Rot ein Symbol für Fleisch war, und da sie in den Tempel ging, um ihr Fleisch zu heilen, würde auf diese Weise ihrem Bedürfnis zusätzlich Ausdruck verliehen. Plötzlich zerriß ihr der Gedanke an Cammy fast das Herz; was hätte ihre Schwester nicht für zehn Minuten mit der
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