Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
begannen, in stockendem Rhythmus, aber betörend.
Was zum Teufel soll ich nur tun?
Der Schlamm – wenigstens hielt sie die Masse dafür – ging ihr inzwischen bis an die Schultern und hielt ihren Leib umfangen wie in der Umarmung eines Geliebten, doch sank sie nun nicht mehr weiter ein, sondern fing zu treiben an. Die Masse war weich und warm, fast wie Schlagsahne aus dem Londoner Ritz. Weil immer deutlicher wurde, daß nichts weiter passieren würde, begann sich Chloe zu entspannen. Bei Elizabeth Arden, dachte sie, würde mich dieser Spaß locker ein Vermögen kosten. Ihr Kopf wurde leicht, sie ließ sich zurücksinken und schaute zur Decke auf. Sie war mit Sternen und einem Abbild Nuts, der Nachtgöttin, bemalt, die den Sonnengott Re verschluckte und ihn jeden Morgen neu gebar. Quer über eine Wand zog sich ein Bild voller Strichmännchen, die jeweils den Gott einer Stunde darstellten. Chloe war überrascht, auch ihren Namen zu entdecken – aber andererseits entsprach ihr Name auch der astrologischen Zeit für elf Uhr.
Als ihr Blick die Hieroglyphen und Zeichnungen abgraste, entdeckte sie etwas, das in ihr den Wunsch weckte, näher an den Beckenrand zu gelangen. Auf direktem Weg kam sie nicht hin – es war, als würde sie sich in Zeitlupe bewegen –, doch wenn sie sich vollkommen entspannte, schwebten ihre Beine nach oben, bis sie sich auf der obersten Schlammschicht treiben lassen und sich mit den Händen vorwärts ziehen konnte. In der Ecke gegenüber sah sie noch einmal ihren Namen, und dazu einen Durchgang, der sich zu der Hieroglyphe für »Nachwelt« öffnete. Adrenalin pumpte in Chloes Adern, und sie kniff die Augen zusammen, um die Zeichnung oberhalb des Durchgangs zu erkennen. Enttäuscht ließ sie den Kopf zurücksinken: nur weitere Sterne.
Doch darunter stand etwas, das wie eine Art Formel aussah. Es war eine Folge von Variationen ihres Namens: RaEmhetepet, ReEmHetp-Ra, mes-bru-mesat Hru Naur Raem Phamenoth, AabtPtah … Sie übersetzte. »Elf Uhr abends, dreiundzwanzig nach Sonne, Wiegenfest dreiundzwanzig mal drei, im Verlauf des Ptah im Osten …« Aber das Ende fehlte. Völlig vergessend, wo sie sich befand, faßte Chloe nach dem Beckenrand, stemmte die schlammigen Hände auf den Rand und versuchte, sich aufs Trockene zu ziehen. Der Schlamm saugte an ihrem Leib, und sie biß die Zähne zusammen, um das letzte bißchen Kraft aus ihrem untrainierten Körper zu holen. Sobald sie die Hüften freibekommen hatte, flutschte sie aus der Masse wie ein Korken aus einer Flasche.
Schlammstapfen hinter sich herziehend, tappte sie auf die Ecke zu, um die übrigen Glyphen zu entziffern, die im Lauf der Zeit unlesbar geworden waren. Cheftus Ruf ließ sie zusammenfahren, und sie drehte sich um. Anubis und Sechmet kamen mit einem ausgebreiteten Leintuch auf sie zu, laut und fast bedrohlich betend. Sie schlugen Chloe von Kopf bis Fuß in das Laken, ohne sie auch nur einmal zu berühren. Dann wurde Chloe zu Cheftu geführt, der jetzt vor der Weihrauchschale kniete und wie in Trance wirkte. Einige Fackeln waren erloschen, und Weihrauchnebel wehte zur Decke auf. Die Atmosphäre war düster, irritierend und befremdend.
Chloe spürte, wie ihr das Herz im Halse schlug.
Sie drehte sich um, weil sie den Rest des Satzes lesen wollte, etwas über ein »Gebet … was? … im dreiundzwanzigsten Durchgang um dreiundzwanzig von RaEmhetepet.« Chloe überflog die Schriftzeichen erneut und prägte sie sich ein – sie würde sich später das Gehirn darüber zermartern müssen. Anubis packte sie am Kopf und zwang sie, zu Cheftu und jetzt auch Sechmet hinzusehen. Cheftus Blick war vollkommen leer. Die Löwinnengöttin fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und entblößte dabei einen silbernen Gebißeinsatz mit langen Reißzähnen. Chloe wich zurück, doch Anubis’ massiver Körper hielt sie fest. Sechmet streckte die Hand aus, und Chloe sah, daß ihre Finger wunderschön waren, mit langen, roten Nägeln, doch als die Frau die Handfläche nach oben drehte, um Chloes Hand zu fassen, zuckte Chloe zurück. Auf Sechmets Handgelenk sah sie die aufgemalten Hieroglyphen für Rache, Zorn und Gerechtigkeit prangen.
Cheftu beugte sich vor, um ihr ins Ohr zu flüstern: »Gib ihnen deinen Arm, RaEm. Sie machen dir nur ein Amulett. Es wird nicht lange weh tun.« Er klang müde und ein wenig gereizt. Chloe streckte den Arm aus und spürte, wie Cheftu ihr Handgelenk mit einem Leinenhandschuh packte, damit er sich nicht schlammig machte
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