Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
Schlaf.
Zwei Tage verbrachte sie in aller Stille. Sie gärtnerte, zeichnete und aß. Sie schlief viel. Ihr Haar wuchs langsam nach; in wenigen Tagen würde es wahrscheinlich wieder anliegen.
Am folgenden Tag berichtete Basha, daß die Apiru Thut gefragt hätten, wann der Fluch vom Nil genommen werden solle, und Thut ›morgen‹ geantwortet hatte. »Warum er nicht ›heute‹ gesagt hat, Herrin, ist mir jedoch ein Rätsel, fürchte ich«, kommentierte Basha. Chloe war ganz ihrer Meinung. Ein Bad wäre wirklich angenehm gewesen. Obwohl es noch nicht sommerlich heiß war, schien im pflanzen- und wasserreichen Avaris die Luft wärmer und feuchter, als sie in Wirklichkeit war. Ähnlich wie in Houston.
Chloe spazierte in den langsam dahinwelkenden Garten und fragte sich, wie sie die kommenden Wochen oder Monate überstehen sollte. Wann würde ihre Stimme zurückkehren? Wann würde sie heimkehren können? Und wie?
Der Gestank vom Nil her war atemberaubend. Zu Hunderten lagen die Fische tot am Ufer und verrotteten. Chloe sah, daß die Sklaven Ordnung schafften. Trotz der Aufseher mit ihren langen Peitschen und dem kurzen Geduldsfaden arbeiteten sie mit spürbar wenig Begeisterung.
Chloe kehrte in den Palast zurück, blieb aber stehen, weil jemand sie rief.
»Herrin! Herrin!« Chloe drehte sich um und sah Cheftus Apiru. »Gesundheit! Leben! Wohlergehen! Mein Herr Cheftu läßt fragen, ob sich die Herrin wohl genug fühlt, heute abend mit ihm zu speisen? Er sagt auch, daß dies hier für dich bestimmt ist, und bittet dich um Vergebung, daß es nicht eher überbracht wurde.«
Chloe nahm die kleine Schriftrolle entgegen und brach das Siegel. Die Nachricht war in hieratischen Schriftzeichen hingekritzelt worden. »Du erzürnst mich, RaEmhetepet. Dein kindisches Verhalten wird langsam lächerlich. Ich erwarte, daß du mich anders empfängst, wenn wir uns wiedersehen.«
Die Botschaft war nicht unterschrieben, doch sie drehte die Schriftrolle um. Das Siegel war das von Nesbeks Haus. Was hatte das zu bedeuten? Sie sah sich nach allen Seiten um, dann rollte sie den Papyrus zusammen und steckte ihn unter ihre Schärpe. Sie hatte es satt, nicht zu begreifen, was in ihrem adoptierten Leben gespielt wurde, doch die »andere« schwieg unheilverheißend.
Plötzlich hatte sie das Gefühl, nicht allein zu sein.
»Wenn es der Herrin so gutgeht, daß sie in der Hitze des Tages Spazierengehen kann, dann kann sie doch gewiß auch heute abend das Brot mit mir teilen?« Chloe hörte ihm an, daß er keine Bitte stellte … das war ein Befehl. Thutmosis sah sie an. »Herrin?«
Chloe hatte nicht die geringste Lust, mit diesem Mann zu essen, der sie mit Blicken auszog, als stünde sie ebenfalls auf der Speisekarte, doch sie wußte, daß sie keine andere Wahl hatte. Wie so oft in letzter Zeit. Sie erklärte sich mit einem Nicken einverstanden und wandte sich ab. Selbst wenn er der Prinz ist, wir sind hier in meinem Garten, dachte sie verdrossen.
Herrisch klatschte sie nach Basha. Nachdem sie hastig eine Nachricht hingekritzelt hatte, schickte sie das Mädchen zu Cheftu. Vielleicht konnte er sie aus diesem Schlamassel befreien. Oder seine eigene Begleiterin mitbringen.
Doch die Vorstellung, daß Cheftu mit einer anderen Frau auftauchen könnte, verdroß sie noch mehr.
Sie saß in ihrem kühlen Zimmer, als Cheftu eintrat. Sie reichte ihm ihre knappe Notiz, in der sie Thuts Forderung schilderte.
»Die Herrin hat eine Einladung aus der Königsfamilie erhalten«, sagte er. »Hast du Bedenken, sie anzunehmen?«
Wütend, weil sie sich nicht verständlich machen konnte, starrte Chloe ihn an. War es möglich, daß sie Thuts gierige Blicke und seine Einladung überbewertete? Cheftu beobachtete sie aus leicht zusammengekniffenen Augen.
Im Zeitlupentempo schüttelte sie den Kopf. Sie würde schon irgendwie zurechtkommen.
»Fühlt sich die Herrin in der Gesellschaft von Horus-im-Nest nicht, ähm, sicher?« fragte er ernst.
Verlegen und unsicher zog sie die Achseln hoch. Cheftu dachte kurz nach, ohne daß der Blick seiner langwimprigen Augen auch nur eine Sekunde ihr Gesicht verlassen hätte. »Ich werde dir eine Wache mitgeben.« Er hielt inne; kurz huschte ein Ausdruck äußerst menschlicher Verwirrung über sein Gesicht, dann erklärte er, kühl wie immer: »Ich muß gestehen, daß ich deine Bedenken nicht verstehe, RaEm. Seit Jahren wolltest du zu Thutmosis vordringen, wieso spielst du jetzt die Ängstliche? Dies ist die Gelegenheit, nach der
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