Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
du dich so lange verzehrt hast; oder spielst du nur um meinetwillen das schüchterne Mädchen? Sei versichert, daß das nicht nötig ist.« Chloe wandte das Gesicht ab. Seine Worte und sein Auftreten waren eine einzige Beleidigung. RaEm hatte es in diesen Dingen wohl nicht so genau genommen, aber sie, Chloe hatte da andere Maßstäbe.
Ungeachtet der Tatsache, daß sie einen Fremden im Schilf und auf den Pyramiden ihren Feind küßte.
Cheftu packte sie und zog sie an sich, wobei er ihr schmerzhaft den Arm zusammenquetschte.
Seine Augen waren keineswegs mehr undurchdringlich, sondern starrten ihr mit loderndem Abscheu ins Gesicht, doch gleichzeitig war sein Griff warm. Sobald er seine so hochgeschätzte Selbstbeherrschung wiedergefunden hatte, schleuderte er sie weg und stolzierte eilig aus dem Zimmer.
»Das kannst du dir schenken!« hätte sie ihm am liebsten nachgeschrien. Seine bissigen, verletzenden Kommentare … in allen anderen Dingen schien er vernünftig und berechenbar zu sein, nur nicht, wenn es um RaEm ging. Basha stürzte ins Zimmer. »Herrin!« sagte sie bange und mit aufgerissenen Augen, »wie sollen wir in so kurzer Zeit fertig werden?« Chloe trat ins Bad und erblickte frisches Wasser. Offensichtlich waren Thuts Apiru-Sklaven außerordentlich mächtig. Sie ließ sich von Basha ausziehen und stieg dann dankbar in das geflieste Becken, wohl wissend, daß ihr stundenlanges Frisieren und Schminken bevorstanden.
Der Mond war bereits aufgegangen, als sie in Thuts Privatgemächer geführt wurde. Fackellicht flackerte über die mit Blattgold überzogenen und mit Hatschepsuts Triumphen bemalten Wände. Thut stand in einer Ecke, den Ringerkörper in goldumrandetes Leinen gehüllt. Über seinen breiten Schultern lag ein roter Lederkragen, der zu der rot-goldenen Henhet-Krone mit der Kobra und dem Geier aus massivem Gold paßte. Mit ausgestreckten Armen kam er auf sie zu.
Obwohl Chloe ihn fast um Haupteslänge überragte, war die Kraft, die Thut ausstrahlte, überwältigend. Sie begann sich zu fragen, ob ihr unter einer Haube versteckter Leibwächter, so groß und muskulös er auch war, irgend etwas ausrichten konnte, falls Thut beschloß, daß er mehr als nur ihre Gesellschaft genießen wollte.
»Komm zu mir, Herrin des Silbers. Wie ich sehe, hast du dich deinem Namen entsprechend gekleidet.« Chloe ergriff seine warme, fleischige Pfote, während er sie von Kopf bis Fuß begutachtete. Ein halbdurchsichtiger, silberner Schleier umhüllte ihren Leib, dazu trug sie als Schmuck einen filigranen Silberkragen und eine weiße Blume im Haar. Sie hatte ihre Augen schwarz nachgezogen, jedoch keine weitere Schminke und keinen Duft aufgelegt, trotz Bashas offensichtlicher Versuche, sie so betörend herzurichten wie nur möglich.
Da ihr Haar aussah wie im Endstadium der Räude, hatte Basha ihr ein weiß-silbernes, gefälteltes Kopftuch aufgesetzt. Eine Perücke kam nicht in Frage. Die »andere« hatte sie wissen lassen, daß eine Perücke zum Abendessen etwa so war, als würde sie einem Mann ein Sortiment von Kondomen anbieten, wenn er sie an ihrer Haustür abholte. Kein Signal, das Chloe auszusenden gedachte.
So sah sie sich im Raum um und wich Thuts schlammbraunem Blick so gut wie möglich aus. Auf einer Seite war mit einem Vorhang ein weiterer Raum abgetrennt, aus dem sie ein leises Rumoren hörte. Sie sah den Prinzen an; was war das für ein Geräusch?
Er senkte den Blick und rief, plötzlich nervös wirkend, nach Wein. Das Geräusch verstummte, und etwas Schweres fiel zu Boden. Ein Mensch stöhnte. Hatte sich jemand verletzt? Unverzüglich stand sie in dem Durchgang, den Vorhang halb über der Schulter.
Es war ein Atelier. Ein Töpferatelier.
Chloe blinzelte und sah Thut an. Er richtete sich auf, ohne sie anzusehen. »Das ist mein Hobby«, erklärte er steif.
Sie trat ein. Er war Handwerker? Die schlichten, weißgekalkten Wände waren zu Zeichentafeln zweckentfremdet worden. Rohentwürfe waren darauf skizziert und von derselben Hand korrigiert worden. Auf einem hohen Regal standen aufgereiht Schalen, Statuetten und Gußformen. Zwei große Töpfe waren mit noch flüssigem Gips bekleckert, auf einem Tisch warteten noch unvollendete Werke.
Chloe nahm einen Krug mit zwei Henkeln hoch und drehte sich zu Thutmosis um. Er nahm ihn ihr aus der Hand und erklärte, die Griffe seien noch feucht. Chloe blickte auf ihre Hände, auf denen die fein gearbeitete Zeichnung eines Widderhorns blasse Flecken hinterlassen hatte.
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