Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
Wiegen verwandelt hatte, fiel Chloe auf, daß so gut wie alle Gespräche verstummt waren und daß eine ganze Reihe von Parfümkegeln zu schmelzen begonnen hatten. An ihrer Seite hörte sie Thuts schweres Keuchen, der sich keine Bewegung der Rothaarigen entgehen ließ.
Nur Cheftu konnte Chloe nirgendwo entdecken.
Sie tat so, als wäre ihr das gleich, und versenkte sich in die kunstvollen Bewegungen des Tanzes wie in die tiefen Klänge der Harfen. Erneut steigerten die Tänzerinnen das Tempo, und die Zuschauer, Chloe eingeschlossen, klatschten im Takt dazu.
Schließlich sanken die Mädchen vor Thut in einer eleganten Verbeugung nieder, mit schwer gehendem Atem nach dem anstrengenden Tanz. Die Zuschauer jubelten ihnen begeistert zu, und zwar ganz besonders, als die Rothaarige nach vorne gewinkt wurde und Thut ihr einen Ring von seinem Finger überreichte.
Sie war eine winzige Person, dachte Chloe, gerade einmal einen Meter fünfzig groß, und das meiste davon verschwand unter ihren flammendroten Zöpfen. Als das Mädchen kurz zu Horus aufblickte, erkannte Chloe, daß ihre braunen Augen unter schweren Wimpern verborgen lagen – und daß sie Horus mit jedem Knochen ihres feingliedrigen Leibes haßte. Augenblicklich senkte die Tänzerin den Blick wieder und verbeugte sich nochmals, doch da hatten zwei von Thuts Edelmännern bereits einen Blick miteinander getauscht und die Hand an ihre Dolche gelegt. Einige der Mädchen wurden auf verschiedene Schöße gezogen, während sie durch das Publikum hindurch von der Bühne abgingen. Die Rothaarige blieb unbehelligt; der Anspruch, den Horus auf sie erhoben hatte, war endgültig.
Als nächstes kamen die Ringer, die Lieblinge der Ägypter. Sie umkreisten einander auf der kleinen Freifläche, die breiten Leiber nur in die durchbohrten Lederschurze der Fischer gehüllt. Die Rücken waren tätowiert, aber nicht mit ägyptischen Motiven, sondern in eleganten, geschwungenen Linien, die sich zu Blumen, Gärten, Vögeln und Fischen aus Tinte und Haut zusammenfügten. Umjubelt von der weinseligen Menge, sprangen sie einander an und hielten einander umklammert wie Liebende. Die Feiernden wurden mit jeder Minute lauter und fröhlicher und schlugen ihre Gläser auf den Tisch. Chloe fiel auf, daß die anfangs streng getrennten Geschlechter sich immer mehr vermischten. Selbst ein, zwei Priesterinnen saßen nun neben juwelenbehangenen Edelmännern.
Die Feier wurde unterbrochen, als der Mundschenk Rekhmire Thutmosis die gefüllten und gerösteten Vögel präsentierte. Die Ringer lösten sich voneinander, verbeugten sich vor Thut und gingen ab. Nacheinander wurden auf dem niedrigen Tisch vor Thut die Speisen aufgebaut. Als keine weitere Platte mehr darauf paßte, bellte Thut: »Serviere meinen Getreuen das Mahl, Rekhmire!« Der Mundschenk verbeugte sich unter dem Jubel der berauschten Menge und begann, die knusprigen Vögel auszuteilen.
»Deinen habe ich ganz besonders zubereiten lassen«, sagte Thut zu Chloe, als der Mundschenk ihre Portion brachte. Sie schluckte schwer. Die »andere« überflutete ihr Gehirn mit Informationen. Daß Thut für sie einen Vogel tötete und braten ließ, war eine gängige Form der Brautwerbung. Sie würden das Tier gemeinsam verspeisen, sich möglicherweise sogar gegenseitig mit den leckersten Bissen füttern. Dies war keine widerliche Anmache, dies war der erste Schritt in Richtung Ehe.
Chloe sah sich um. Thuts Frau Isis war nicht da; wahrscheinlich hütete sie seinen Sohn Turankh, den Thronerben und Thuts Augapfel. »Herrin? Sagt er dir zu?« Sie schaute in Thuts unergründliche Augen, dann senkte sie den Blick auf den knusprigen Braten. Er sah ausgesprochen lecker aus, wenn man verkohlte Haut mochte. Der Duft von gebackenem Honig und Feigen stieg davon auf, und sie streckte die Hand danach aus.
Thut legte eine Hand auf ihre. »Warte auf den Vorkoster, Herrin des Silbers.« Er winkte einen der wartenden Sklaven herbei, der den Arm über der Brust kreuzte und ein Stück von Chloes gebratener Ente entgegennahm. Der Vorkoster kaute und schluckte, während die Gesellschaft argwöhnisch seine Bewegungen verfolgte, denn dieses Spektakel war wesentlich aufregender als die sich langsam wiegenden Musiker. Der Vorkoster verbeugte sich erneut und ging davon, doch Thut behielt Chloes Hand fest in seiner.
Mit einem Lächeln, das aus der Tiefe seiner braunen Augen kam, reichte er ihr seinen Becher. »Warte noch ein wenig, Herrin«, meinte er, während er ihr beim
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