Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
ab. Mit einemmal verdüsterte sich der wunderschöne Tag. Gelegentlich sah Cheftu zu ihr herüber, beinahe wie ein Kindermädchen, ansonsten konzentrierte er sich jedoch ganz und gar auf die eleganten Züge und ausdrucksvollen Hände von Sieben-Uhr. Chloe gab sich nicht einmal die Mühe, sich ihren Namen auf ägyptisch in Erinnerung zu rufen.
Thutmosis war der übliche Draufgänger und hatte den Wurfstock mehr in der Luft als in der Hand, während ihn die nackten Serviererinnen umschwärmten wie Bienen den Lotos. In regelmäßigen Abständen sah er zu Chloe hin, machte aber keine Anstalten, sich zu nähern.
Endlich begriff Chloe, was es bedeutete, ganz allein unter vielen zu sein.
RaEm beherrschte den Wurfstock nur mäßig – diese Information war problemlos abrufbar –, und Chloe hatte nicht den Mut, ihre Fähigkeiten auszuprobieren. Die ständige Schauspielerei, diese endlose Scharade, selbst die fehlende Unterwäsche machten ihr schon genug zu schaffen. Das Wissen, daß RaEm möglicherweise in ihrer Haut steckte und ihr Leben ruinierte … und jetzt mit einem Kind im Bauch … Chloe weigerte sich, den Gedanken weiterzuverfolgen. Irgendwann würde sie fliehen oder sich verstecken müssen. Als Hathor-Priesterin war es ihr nicht erlaubt, außerhalb des Ehegelübdes ein Kind zu bekommen. Natürlich hätte sie genaugenommen noch Jungfrau sein müssen, doch dieses Gesetz hatte man abgemildert, so daß sie jetzt nur noch während ihrer Zeit im Tempel »rein« bleiben mußte.
Chloe besah sich die anderen Priesterinnen, diese wunderschönen und scheinbar so tugendhaften Frauen aus den allerbesten Familien. Trug irgendeine von ihnen ein ähnliches Geheimnis in ihrem Leib? Sie bezweifelte, daß es im alten Ägypten eine Entbindungsklinik gab, wo sie anonym gebären konnte. Sie hielt sich an der Bootsreling fest und beobachtete, wie eine der vielen dressierten Katzen in den Sumpf sprang und einen Vogel apportierte, den Thuts Stock gefällt hatte.
Chloe rüttelte sich auf und beobachtete, wie ein Vogel nach dem anderen aus dem Himmel geholt wurde – immer weniger im Laufe des Tages und mit zunehmendem Alkoholpegel der Jäger. Cheftu amüsierte sich königlich; er lag mit dem Kopf im Schoß von Sieben, während Zehn seine Füße streichelte. Chloe kam sich vor wie unsichtbar. Also gut, sie war eifersüchtig. Und einsam. Knochenmalmend, herzzerreißend einsam. Wann würde sie endlich heimkehren können? Sie würde alles darum geben, wieder unter Cammys miserablem Farbsinn zu leiden und Mutter zuzuhören, wie sie sich über irgendeine Neuerwerbung ausließ oder über jene Technik und ach! dieses phantastische Wasweißich deines Vaters … alles, was Vater anpackte, war in Moms Augen phantastisch. Zu sehen, wie Vater seine Pfeife stopfte …
Das Grünblau des Nils verschwamm vor ihren Augen. Chloe spürte eine warme Hand auf ihrer Schulter.
Thutmosis stand hinter ihr. »Ich hoffe, daß du heute abend mit mir speist, silberne Herrin. Es … wir hatten keinen guten Anfang miteinander. Ich würde mir wünschen, daß du mir Gelegenheit gibst, alle falschen Eindrücke auszuräumen, die du bekommen haben magst.« Chloe fühlte sich gerührt von der für ihn strapazierenden und demütigen Rede, die er mit all dem Charme vorgetragen hatte, dessen er mächtig war.
»Ich würde mich überaus geehrt fühlen, Prinz«, log sie. Eine Weile standen sie verlegen schweigend nebeneinander, bis der Lärm einiger Frauen, die sich zum Umkleiden zurückzogen, Chloe die Gelegenheit gab, auf die sie gewartet hatte. Sie mischte sich unter diese delikaten Blumen der ägyptischen Gesellschaft und wechselte auf das zweite Boot, wo man Leinenvorhänge gespannt hatte, damit sich die Frauen umziehen konnten. Ihr entging nicht, daß die Vorhänge nur zu gut erahnen ließen, was dahinter vorging, und sie merkte auch, daß die Männer auf Thuts Boot sich plötzlich weniger für die Jagd als vielmehr für das Zuschauen interessierten. Was wahrscheinlich der Zweck des ganzen Manövers war.
Die sieben Hathors versammelten sich, und Chloe fiel auf, daß sie, abgesehen von den notwendigsten Mitteilungen, so gut wie nie miteinander sprachen. Im Gegenteil, die Gruppe wirkte ausgesprochen angespannt, und in der Luft lag eine Feindseligkeit, die man mit dem Wurfstock hätte schneiden können.
Als Chloe endlich umgezogen war, ging es in ihrem Kopf drunter und drüber. Sie faßte nach ihrer Kette und drückte sie mit aller Kraft. Es war das einzige, was in ihrem
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