Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit
durchschnitten. Langsam wurde ihr klar, daß Marek mit ihr so etwas wie eine wohleinstudierte Führung machte; er redete fast ununterbrochen.
»Diese Kalksteinklippen sind die Überreste eines uralten Strands«, sagte er. »Vor Millionen von Jahren war dieser Teil Frankreichs von einem Meer bedeckt. Als das Meer zurückwich, ließ es einen Strand zurück. Und über Äonen zusammengepreßt, wurde aus diesem Strand Kalkstein. Es ist ein sehr weicher Stein. Die Abhänge sind durchlöchert von Höhlen.«
Kramer konnte wirklich viele Höhlen erkennen, dunkle Öffnungen im Fels. »Es gibt eine ganze Menge davon.«
Marek nickte. »Dieser Teil Südfrankreichs ist einer der am dauerhaftesten besiedelten Landstriche der Erde. Menschen leben hier seit mindestens vierhunderttausend Jahren, nachweisbar vom Neandertaler bis heute.«
Kramer nickte ungeduldig. »Und wo ist das Projekt?« fragte sie.
»Kommt gleich.«
Der Wald ging in freies Gelände mit verstreuten Bauernhöfen über. Jetzt flogen sie auf ein Dorf auf einem Hügel zu; sie sah eine Ansammlung von Steinhäusern, schmale Straßen und den steinernen Turm einer Burg, der sich in den Himmel erhob.
»Das ist Beynac«, sagte Marek mit dem Rücken zu ihr. »Und hier kommt unser Dopplersignal.« Kramer hörte in ihrem Kopfhörer elektronische Pieptöne, die immer schneller wurden.
»Achtung«, sagte der Pilot.
Marek schaltete seine Ausrüstung an. Ein halbes Dutzend Lichter blinkten grün auf.
»Okay«, sagte der Pilot. »Beginne mit erstem Überflug. Drei… zwei… eins.«
Die sanften, bewaldeten Hügel endeten an einem steilen Abhang, und Diane Kramer sah das Tal der Dordogne, das sich unter ihnen ausbreitete.
Wie eine braune Schlange wand sich die Dordogne durch das Tal, das sie sich vor Hunderttausenden von Jahren gegraben hatte. Sogar zu dieser frühen Morgenstunde sah man schon Kanuten, die auf ihr paddelten.
»Im Mittelalter war die Dordogne eine militärische Grenze«, sagte Marek. »Diese Flußseite war französisch und die andere englisch. Die Kämpfe gingen hin und her. Direkt unter uns liegt Beynac, eine französische Festung.«
»Und da drüben«, fuhr er fort und zeigte über den Fluß, »sehen Sie die gegenüberliegende Stadt Castelnaud. Eine englische Festung.«
Hoch oben auf einem entfernten Hügel sah Kramer eine zweite Burg, die völlig aus gelbem Stein erbaut war. Die Burg war klein, aber wunderbar restauriert, ihre drei runden, von hohen Mauern verbundenen Türme ragten anmutig in die Luft. Am Fuß der Burg war ein malerisches Touristenstädtchen zu erkennen.
»Aber das ist nicht unser Projekt…«, sagte sie.
»Nein«, erwiderte Marek. »Ich zeige Ihnen nur den generellen Charakter dieses Landstrichs. Überall an der Dordogne findet man diese paarweise angeordneten, einander gegenüberliegenden Burgen. Bei unserem Projekt geht es ebenfalls um so ein gegenüberliegendes Burgenpaar, aber es liegt noch ein paar Kilometer flußabwärts. Da fliegen wir jetzt hin.«
Der Hubschrauber legte sich in die Kurve und flog nach Osten über sanft gewelltes Hügelland. Das Touristengebiet ließen sie jetzt hinter sich, und Kramer war froh, als sie sah, daß das Land unter ihr größtenteils bewaldet war. Sie überflogen ein Städtchen am Fluß mit dem Namen Envaux und stiegen dann wieder über dem Hügelland in die Höhe. Hinter einer dieser Kuppen sah sie plötzlich die offene Fläche einer baumlosen grünen Wiese. In der Mitte der Wiese standen die Ruinen von mehreren steinernen Häusern, Mauern, die in merkwürdigen Winkeln aufeinanderstießen. Dies war offensichtlich früher eine Stadt gewesen, die sich unterhalb der Mauern einer Burg erstreckte. Doch die Burgmauern waren nur noch Linien aus Gesteinsbrocken, von der Burg selbst war so gut wie nichts mehr übrig; sie sah nur die Fundamente von zwei runden Türmen und Reste einer zerstörten Mauer, die sie verband. Hier und da zwischen den Ruinen waren weiße Zelte aufgeschlagen worden. Mehrere Dutzend Leute arbeiteten dort unten.
»Bis vor drei Jahren gehörte das alles einem Ziegenbauern«, sagte Marek. »Die Franzosen hatten diese Ruinen so gut wie vergessen, sie waren von Wald überwuchert. Wir haben den Wald gerodet und ein bißchen was wiederaufgebaut. Was Sie hier sehen, war einst die berühmte englische Festung Castelgard.«
»Das ist Castelgard?« seufzte Kramer. So wenig war also übrig: ein paar stehende Mauern, die auf die Stadt hindeuteten, und von der Burg selbst fast
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