Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit
herum hingen fahlweiße Stalaktiten in den Fluß. Sie kam sich vor, als würde sie im halbgeöffneten Maul eines riesigen Fisches zwischen den Zähnen herumfahren. Der Kahn prallte von einem zum andern.
»Chris?«
Von weit weg: »Ja.«
»Kannst du mein Licht sehen?«
»Ja.«
Sie griff mit der freien Hand nach einem Stalaktiten und spürte seine schlüpfrige, kalkige Oberfläche. Sie schaffte es, den Kahn anzuhalten, aber sie konnte nicht zu Chris zurückrudern, weil sie die Fackel in die Höhe halten mußte.
»Kannst du hierherkommen?«
»Ja.«
Irgendwo in der Dunkelheit hö rte sie ihn platschen.
Als Chris dann, tropfnaß, aber grinsend, wieder im Kahn war, ließ sie den Stalaktiten los, und sofort trieb die Strömung sie wieder vorwärts. Einige Minuten lang ging es noch durch den Stalaktitenwald, und dann kamen sie wieder in einem großen Saal heraus. Die Strömung wurde schneller. Von irgendwo weiter vorne kam ein Tosen. Es klang wie ein Wasserfall.
Aber dann sah sie etwas, bei dem ihr Herz einen Satz machte. Es war ein großer Steinblock am linken Ufer des Flusses. Der Block war an den Kanten von vielen Seilen blankgescheuert. Ganz offensichtlich handelte es sich um eine Anlegestelle.
»Chris…«
»Hab schon gesehen.«
Hinter dem Steinblock entdeckte sie etwas, das aussah wie ein ausgetretener Pfad, aber sie war sich nicht ganz sicher. Chris ruderte ans Ufer, sie vertäuten das Boot und stiegen aus. Hier begann wirklich ein Pfad, der zu einem von Menschen aus dem Stein gehauenen Tunnel mit glatten Wänden führte. Sie gingen in den Tunnel hinein. Kate hielt die Fackel vor sich ausgestreckt.
Und hielt plötzlich den Atem an.
»Chris? Hier ist eine Stufe.«
»Was?«
»Eine Stufe. In den Fels gehauen. Ungefähr zwanzig Meter vor uns.« Sie ging schneller. »Eigentlich«, sagte sie und hob die Fackel noch höher, »ist es mehr als eine Stufe. Es ist eine ganze Treppe.«
Im flackernden Licht sahen sie mehr als ein Dutzend Stufen, die ohne Geländer steil nach oben führten und knapp unter einer steinernen Decke endeten — an einer Falltür mit einem eisernen Ring.
Sie gab Chris die Fackel und kletterte die Stufen hoch. Nichts passierte, als sie an dem Ring zog. Sie drückte dagegen und stemmte die Schulter gegen die Falltür.
Schließlich schaffte sie es, den Stein ein paar Zentimeter zu heben.
Gelbes Licht stach ihr in die Augen, so grell, daß sie sie zusammenkneifen mußte. Sie hörte das Prasseln eines nahen Feuers und lachende Männerstimmen. Dann konnte sie das Gewicht nicht länger halten, und der Stein senkte sich wieder.
Chris kam hinter ihr die Stufen hoch. »Ohrstöpsel einschalten«, sagte er und tippte sich ans Ohr.
»Glaubst du wirklich?«
»Wir müssen es riskieren.«
Sie tippte sich ans Ohr und hörte Knistern. Und dann verstärkt die Atemzüge von Chris, der auf dem schmalen Absatz dicht neben ihr stand.
»Ich gehe als erste«, sagte Kate. Dann zog sie den Marker aus der Tasche und gab ihn Chris. Er runzelte die Stirn, doch sie sagte: »Nur für alle Fälle. Wir wissen ja nicht, was auf der anderen Seite ist.«
»Okay.« Chris legte die Fackel ab und stemmte die Schulter gegen die Falltür. Der Stein knirschte und bewegte sich nach oben. Sie kroch durch die Öffnung, half ihm dann, die Tür ganz aufzuklappen und leise auf den Boden zu legen.
Sie hatten es geschafft. Sie waren in La Roque.
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01:13:52
Mit dem Mikrofon in der Hand drehte Robert Doniger sich um. »Fragen Sie sich einmal selbst«, sagte er in das leere, verdunkelte Auditorium. »Was ist am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts der vorherrschende Erlebnismodus? Wie sehen die Menschen Dinge, und wie erwarten sie sie zu sehen? Die Antwort ist einfach. In jedem Bereich, vom Geschäftsleben über Politik und Werbung bis hin zur Erziehung wurde das Entertainment, die Unterhaltung zum vorherrschenden Erlebnismodus.« Gegenüber der schmalen Bühne waren in einer Reihe drei gepolsterte Kabinen aufgebaut. In jeder Kabine befand sich ein Tisch und ein Stuhl, ein Notizblock und ein Glas Wasser. Die Kabinen waren nach vorne offen, so daß eine Person in einer Kabine zwar Doniger sehen konnte, nicht aber die anderen Personen in den Nachbarkabinen. Das war die Art, wie Doniger seine Präsentationen inszenierte. Es war ein Trick, den er aus alten psychologischen Studien über Gruppendruck gelernt hatte. Jeder wußte, daß in den anderen Kabinen Leute saßen, aber er konnte sie weder sehen noch hören. Und das übte auf
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