TimeRiders
ihr ins Ohr.
Sie verarbeitete die eigenartige Geste rasch, und ihr Silikongehirn errechnete die Empfehlung, dass es angemessen sei, den Zuneigungsbeweis zu erwidern. Sie legte den unverletzten Arm um Liams schmale Schultern. »Positiv, Liam. Wir haben es geschafft.«
80
2001Â New York
Montag (50. Zeitzyklus)
Edward und Laura blieben ein paar Tage bei uns. Maddy meinte, dass sie wahrscheinlich an einer Form der Strahlenkrankheit litten, die von der Explosion im Labor verursacht worden war. Und dass sie etwas Zeit bräuchten, um sich zu erholen. Es war nett, ein paar neue Gesichter um sich zu haben. Aber Maddy bestand darauf, dass sie gehen mussten. Natürlich hatte sie recht. Sie hatten Dinge zu erledigen, ihr Leben zu leben.
Auch wenn es kein langes Leben sein würde â jedenfalls nicht für Edward.
Ich habe seine Akte im Computer abgerufen. Es ist so traurig. 2033 wird er seine brillante Mathearbeit schreiben und dadurch die Welt verändern. Er wird dann erst 22 sein. Doch dann wird er noch vor seinem 27. Geburtstag an Krebs sterben.
Krebs mit 27?
Das kommt mir so unfair vor. 27 Jahre sind noch kein Leben, nur ein Vorgeschmack darauf. Ich weiÃ, dass ich ihm das nicht erzählen durfte. Aber wenn ich es gedurft hätte, wäre es fair gewesen, es ihm zu erzählen? Würde irgendjemand den Tag wissen wollen, am dem er sterben wird? Ich jedenfalls will es nicht wissen.
Der ursprüngliche Plan sah vor, sie in das Jahr 2015 zu schicken. Doch dann überlegte Maddy, dass das wohl nicht so gut wäre: Sie haben beide zu viel gesehen und wissen zu viel. Vielleicht ist das bei Laura nicht so wichtig, vielleicht wird ihr Leben die Welt in keinem besonderen MaÃe beeinflussen. Aber bei Chan ⦠Er steht für das, was in der Zukunft sein wird. Alles beginnt damit, dass er eines Tages eine Dissertation schreibt.
Was also sollten wir tun?
Wir lieÃen sie drauÃen, als die Zeitschleife neu gestartet wurde. Wir lieÃen das Rolltor offen und sahen zu. Wir sahen zu, wie die Zeit kam und sie mitnahm. Die Wirklichkeit löschte sie einfach aus, wie man Dateien auf einem Computer löscht. Maddy meinte, sie sei sich ziemlich sicher, dass so wieder alles ins Lot kommt. Die Wirklichkeit wird sie zurückbringen. Sie werden nochmals geboren, werden ein zweites Mal Säuglinge, Kleinkinder, Kinder, Teenager sein. Aber dieses Mal werden sie im Jahr 2015 ein Versuchslabor für Energiegewinnung besuchen und ihren Eltern am Abend erzählen, wie furchtbar langweilig der Ausflug war.
Jedenfalls hoffen wir, dass es so sein wird.
Und was ist mit der Person, die Edward töten wollte, wer immer das auch war? Ich nehme an, dass wir erfahren werden, ob die Geschichte so weit verändert wurde, dass er oder sie andere Entscheidungen trifft. Wenn wir dieselbe Nachricht aus der Zukunft erhalten ⦠Na ja, dann müssen wir uns eben noch mal damit beschäftigen. Aber vielleicht passiert das ja gar nicht. Hoffen wir jedenfalls.
Wir müssen einfach abwarten, ob jetzt wieder alles in Ordnung ist. Aber nichts ist gewiss. Nichts ist endgültig.
»Alles flieÃt«, sagt Maddy immer. Aber was genau soll das bedeuten?
Die weibliche Support Unit, also Becks (ich habe mich noch nicht an diesen Namen gewöhnt), muss erst noch fertig heilen. Diese Kreaturen haben ihren Arm anscheinend ganz schön schlimm zugerichtet. Bob sagt, dass die nachgewachsene Haut wahrscheinlich stark vernarbt sein wird und dass die Muskeln und Sehnen nie wieder so funktionieren werden wie vorher. Was einen Streit zwischen Maddy und Liam zur Folge hatte.
Maddy schlug vor, diese Support Unit zu entsorgen und eine neue heranzuzüchten, eine von den groÃen, strapazierfähigeren männlichen. Aber da wurde Liam wütend. Er sagte wörtlich: »Das hat sie nicht verdient.«
Ich weià nicht, was ich davon halten soll. SchlieÃlich sind es doch nur organische Roboter, oder? Und sämtliches Wissen, das die künstliche Intelligenz angesammelt hat, würde doch erhalten bleiben.
Aber Liam sagte, sie bestünden nicht nur aus einem Computer ⦠Da wäre noch etwas anderes, etwas in ihren Köpfen, etwas Menschenähnliches. Vielleicht hat er ja recht, dann wäre es unfair, ihr das anzutun. SchlieÃlich hat sie ihre Sache offenbar sehr gut gemacht.
AuÃerdem hat sie ja einen Namen ⦠Ich meine, man kann doch nicht einfach etwas in den Hudson werfen, das einen Namen hat.
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