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Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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vor einem
    vorbeiflitzenden Rennwagen kam er auf den jenseitigen Bürgersteig.
    Bevor er dort in eine schmale Gasse hineinlief, drehte er sich
    rasch noch einmal um und sah, wie sich einer der Detektive gerade anschickte, die Straße zu überqueren. Da wußte Timm, daß nicht
    Schnelligkeit, sondern List nötig war, um seinen Bewachern zu
    entkommen. Zum Glück war er in das unübersichtliche Gassenviertel Genuas geraten, in dem die meisten Häuser Ausgänge nach zwei
    Seiten haben. So trat der Junge ruhig in eine Art Imbißstube ein, in der es nach Gebratenem und nach Olivenöl roch, verließ sie durch
    eine gegenüberliegende Tür wieder, kam in eine Gasse, in der vor
    den Häusern gegrillter Tintenfisch feilgeboten wurde, schlüpfte in einen Eingang, über dem das Wort „Trattoria“ stand, durchquerte die Trattoria, gelangte in ein Juweliergäßchen, hinter dessen Fenstern der Schmuck sich förmlich türmte, lief ein Stück an der Fensterfront entlang, bog in ein winziges Verbindungsgäßchen auf der anderen
    Seite ein, fand sich zwischen schwatzenden, feilschenden
    Hausfrauen auf einem winzigen Markt wieder, durchlief abermals
    eine Trattoria mit säuerlichem Weindunst und stand plötzlich vor der geöffneten Harmonikatür eines haltenden Autobusses. Rasch sprang
    der Junge hinein, und schon schloß sich die Tür hinter ihm, und der Autobus fuhr an.
    Der Schaffner drohte ihm lächelnd mit dem Finger und hielt die
    Hand hin, um das Fahrgeld zu kassieren. Timm, der an Geld gar
    nicht gedacht hatte, griff unbewußt in eine Tasche seines
    rotschwarzen Jacketts und fühlte zu seiner Erleichterung, daß
    Münzen und Papiergeld darin lagen. Er gab dem Schaffner einen der Scheine und sagte: „Christoph Columbus.“
    „Hm?“ fragte der Schaffner.
    „Christoph Columbus! Denkmal!“ wiederholte der Junge, indem
    er sich einer besonders deutlichen Aussprache befleißigte.
    Jetzt verstand der Schaffner ihn. „Il monumento di Cristoforo
    Colombo“, verbesserte er in belehrendem Ton. Und Timm
    wiederholte artig: „Il monumento di Cristoforo Colombo!“
    „Bene! Bene!“ lachte der Schaffner. „Gutt! Gutt!“
    Dann gab er dem Jungen 85 Lire zurück, riß einen Fahrschein für
    Timm ab und machte durch Zeichen verständlich, daß er ihn
    rechtzeitig zum Aussteigen auffordern werde.
    Timm nickte ernsten Gesichtes und dachte: „Glück gehabt!“
    Freuen konnte er sich darüber nicht; aber er war erleichtert.
    Zehn Minuten später – der Autobus war zuerst am Hafen entlang
    und dann eine steigende Gasse hinaufgefahren – zehn Minuten später tippte der Schaffner auf Timms Schulter und zeigte auf ein großes weißes Denkmal zwisehen Palmen, das vor einem riesigen Gebäude
    mit vielen Glastüren stand.
    Der Junge sagte das einzige Wort Italienisch, das er kannte:
    Grazie! Danke! Dann verließ er den Autobus und stand verloren auf einem weiten Platz. Er erkannte jetzt, daß das große Gebäude eine Bahnhofshalle war. Die Uhr über dem Haupteingang zeigte fünf
    Minuten vor acht.
    Unter den Menschen auf dem Platz konnte er keinen der beiden
    Detektive entdecken. Aber den Steuermann Jonny sah er leider auch nicht. So schlenderte er, betont langsam, hinüber zum Denkmal,
    umschritt es und fand hierbei den Steuermann, der in seiner ganzen Größe neben einem Palmenstamm stand.
    Timm konnte ihn schwerlich übersehen. Er lief auf ihn zu und
    hätte ihn am liebsten umarmt, wenn Jonny nicht so ungewöhnlich
    groß gewesen wäre.
    „Ich bin entkommen, Jonny“, sagte er atemlos. „Der Baron hat
    mir Detektive auf den Hals gehetzt. Aber…“
    „Der Baron?“ unterbrach ihn scharf der Steuermann. „Ich dachte,
    der wäre tot!“
    „Er hat sich in seinen angeblichen Zwillingsbruder verwandelt.“
    Jonny pfiff durch die Zähne. Dann nahm er Timms Hand und
    sagte: „Wir setzen uns in eine kleine Kneipe. Dort findet er uns nicht so schnell.“ Und er zog den Jungen durch etliche Gassen hinter sich her.
    Das, was Jonny „Kneipe“ genannt hatte, verdiente eigentlich
    einen besseren Namen. Es war ein langer Schlauchraum, der sich
    nach hinten in ein halbdunkles, fast quadratisches Gastzimmer
    verbreiterte. Der Fußboden bestand aus gehobelten Brettern, und an sämtlichen Wänden standen bis hinauf zur Decke Flaschen aller
    Formen und Farben auf dunkelbraunen Holzregalen. Es sah fast
    feierlich aus; wie eine Kathedrale aus Flaschen.
    Der Steuermann zog Timm an einen unbesetzten Tisch in einer
    Ecke des hinteren Raumes. Hier konnten

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