Timm Thaler
sagte Timm und legte wieder auf.
Der Baron, der Timm genau beobachtet hatte, sagte: „Melden Sie
sich nie mit vollem Namen, mein Lieber! Es genügt ein fragendes:
Ja? Und zwar in einem Ton, der deutlich macht, daß Sie sich ungern stören lassen! Und sagen Sie nicht: schönsten Dank, wenn man
Ihnen meldet, daß der Wagen wartet. Es genügt ein geknurrtes: in
Ordnung. Reichtum verpflichtet zu gewissen Unhöflichkeiten, Herr
Thaler. Es ist wichtig, sich die Leute vom Leibe zu halten.“
Wieder sagte Timm: „Ich will mir’s merken!“ Und wieder dachte
er bei sich: „Warte nur, bis ich mein Lachen wiederhabe!“
Die beiden begaben sich nun hinunter in die Halle, die in so
feinen Hotels die Bezeichnung „Vestibül“ trägt. Bei ihrem
Erscheinen erhoben sich einige Herren aus Sesseln und verbeugten
sich. Einer näherte sich ihnen und sagte: „Gestatten, Herr Baron…“
Lefuet antwortete, ohne den Herrn anzusehen: „Wir sind in Eile.
Später.“
Dann stiegen sie über die Marmortreppe hinunter zu dem Auto
mit den sechs Türen.
Der Chauffeur riß ihnen die Schläge auf, und Lefuet und Timm
sanken in die roten Lederpolster.
Daß vor und hinter ihnen Autos zur Bewachung fuhren, merkte
Timm nicht. Er verstand auch die Rufe der Zeitungsverkäufer nicht, die auf den Straßen ihre Blätter feilboten:
„Il barone Lefuet estmorto! Adesso un ragazzo di quattordici anniil pio ricco uomo del mondo!“
Der Baron übersetzte die Rufe mit belustigt zuckendem Munde:
„Baron Lefuet gestorben. Vierzehnjähriger Junge jetzt der reichste Mensch der Welt!“
An einer Verkehrsampel mußte der Wagen halten. Lefuet gab
dem Jungen gerade Verhaltungsmaßregeln für den Empfang, zu dem
sie fuhren. Aber Timms Aufmerksamkeit war ganz und gar in
Anspruch genommen von einem kleinen, dunkelhäutigen Mädchen
mit schwarzen Kugelaugen, das neben einem Obstverkäufer stand
und mit weit aufgerissenem Munde in einen riesigen Apfel zu beißen versuchte. Als sie Timms Blicke bemerkte, nahm sie den Apfel vom
Mund und lachte den Jungen an.
Timm winkte ihr zu und vergaß wieder einmal, daß jeder Versuch
zu lachen traurige Folgen für ihn hatte.
Plötzlich sah das kleine Mädchen, wie das Gesicht hinter dem
Autofenster sich fürchterlich verzerrte. Es erschrak, fing an zu
weinen und verkroch sich hinter dem Obstverkäufer.
Timm nahm rasch die Hände vor das Gesicht und lehnte sich weit
in die Polster zurück. Der Baron aber, der die Szene im Rückspiegel beobachtet hatte, kurbelte das Fenster herunter und rief der Kleinen lachend etwas auf italienisch zu.
Das Mädchen, mit noch tränennassen Wangen, lugte wieder
hinter dem Obstverkäufer vor, trat zögernd ans Auto und reichte dem Baron schließlich den Apfel durch das Fenster. Als Lefuet ihr dafür eine blanke Münze hinhielt, strahlte sie, piepste ein „grazie, signore“
und lachte wieder.
In diesem Augenblick fuhr das Auto erneut an, und der Baron
hielt Timm den Apfel hin. Aber im letzten Moment zog der Junge
die Hand davon zurück, und die große rote Frucht, die wie lackiert glänzte, rollte von Timms Knien zu Boden und von dort nach vorn
zum Chauffeur.
„Sie müssen lernen, Herr Thaler“, sagte Lefuet, „Ihr Lachen
künftig durch Trinkgelder zu ersetzen. In den meisten Fällen macht Trinkgeld einen größeren Effekt als Freundlichkeit.“
„Warum hast du dann mein Lachen gekauft?“ dachte Timm.
Laut sagte er: „Ich will mir’s merken, Baron!“
Achtzehnter Bogen
Im Palazzo Candido
Beim Palazzo Candido handelt es sich, wie der italienische Name
verrät, um einen weißen Palast: außen weißer Marmor, innen weißer Stuck. Als der Baron und Timm die Treppe in den ersten Stock
erstiegen – auch sie ist aus weißem Marmor – wurden sie von
denizzi- und ozzi-Direktoren umschwärmt, an die der Junge sich von der Mole her dunkel erinnerte. Sie schwiegen ehrfurchtsvoll, denn der Baron sprach mit Timm.
„Dieser Palast“, sagte Lefuet halblaut, „ist ein Museum, für
dessen Benutzung wir viel Geld bezahlen müssen. In seinen Räumen
hängen Bilder alter italienischer und holländischer Meister. Wir
werden sie uns ansehen müssen. Dergleichen gehört zu unserer
Stellung. Da Sie von Kunst und Malerei vermutlich nichts verstehen, Herr Thaler, empfiehlt es sich für Sie, schweigend und mit ernster Miene die Bilder zu betrachten. Die Gemälde, vor denen ich huste, sollten Sie sich etwas länger ansehen. Heucheln Sie
Weitere Kostenlose Bücher