Timm Thaler
daß ihn wieder einmal jemand duzte. Es drängte
ihn, Selek Bei von seinem verkauften Lachen zu erzählen. Aber dann wäre sein Lachen für ewig verloren gewesen. So schwieg Timm.
„Nun gut“, brummte der Alte. „Der Baron hat viele Geheimnisse.
Und eines davon bist du. Es scheint ein häßliches Geheimnis zu
sein.“
Timm nickte und sagte noch immer nichts. Selek Bei ließ das
Thema fallen und erzählte dem Jungen, auf welche Weise er zu
einem der wichtigsten Männer dieser reichen Gesellschaft geworden war.
„Man brauchte einen angesehenen Mann für das asiatische
Geschäft. Hätte man einen Mohammedaner genommen, wären die
buddhistischen Länder böse geworden; hätte man jemand aus dem
buddhistischen Bereich gewählt, wären die Mohammedaner
ärgerlich gewesen. Deshalb wählte man das Oberhaupt einer kleinen Sekte, die für seltsam, aber großmütig gilt. Und das bin ich.
Meinetwegen hat der Baron sich auch dieses Schloß gekauft.
Außerdem interessiert ihn unsere Religion.“
„Aber vieles, was diese Gesellschaft tut, gefällt Ihnen doch gar
nicht“, sagte Timm. „Warum sind Sie dann in sie eingetreten?“
„Ich tat es nur unter der Bedingung, daß man mir Stimm-Aktien
gäbe. Und das hat man getan, mein Junge. Nun habe ich mit zu
entscheiden und kann manches verhindern, wenn auch nicht viel.
Außerdem…“ Selek Bei begann zu kichern und fuhr im Flüsterton
fort: „Außerdem arbeite ich mit all den Millionen, die ich verdiene, heimlich gegen die Gesellschaft. In Südamerika bezahle ich eine
Armee, die jenen Dieb und Mörder stürzen wird, dem unsere
Gesellschaft zum Präsidentensessel verhalf. Und in Afghanistan…“
Es klopfte an die Tür, und sofort schwieg Selek Bei.
„Soll ich öffnen?“ fragte Timm leise.
Der Alte nickte, der Junge ging zur Tür, und dann stürzte der
sonst so ruhige und steife Mister Penny aufgeregt ins Zimmer.
„Uas bedeuten this damned… äh… dieser verfluchten… äh…“
„Sprechen Sie englisch“, sagte Selek Bei. „Ich werde es dem
Jungen übersetzen.“
Nun sprudelte Mister Penny seine Aufregung englisch ins
Zimmer. Dann schwieg er plötzlich, zeigte auf Timm und sagte zu
Selek Bei: „Please, translate it to him!“
Der Alte bat den Engländer ruhig, Platz zu nehmen, und als
Mister Penny erschöpft in den Schaukelstuhl fiel, sagte er zu Timm:
„Der Baron hat soeben den Direktor Rickert von unserer
Hamburger Reederei entlassen. Da Mister Penny den größten Teil
der Reederei-Aktien besitzt, verweigert er seine Zustimmung zu der Entlassung. Er behauptet, Rickert sei in Hamburg sehr beliebt, und es werde einen großen Skandal geben, der der Reederei schadet. Die Entlassung soll Ihre Schuld sein, sagt Mister Penny.“
„Meine Schuld?“ fragte der sehr blasse Timm erstaunt.
„Yes, ja, Ihrer Schuld!“ Mister Penny fuhr aus dem Schaukelstuhl
wieder auf. „Die Baron… äh… der… äh… der die das Baron sagen
es.“
Natürlich wußte Timm, daß die Entlassung des Herrn Rickert mit
dem Telefongespräch zusammenhing; aber daß der Baron ihm die
Schuld zuschob, war eine teuflische Gemeinheit; denn Timm wäre
der letzte gewesen, der Herrn Rickert aus seiner Stellung verdrängt hätte.
Selek Bei verließ plötzlich das Zimmer und sagte im Abgehen zu
Mister Penny: „Reden Sie ruhig ein wenig deutsch mit dem jungen
Herrn; dann sind Sie gezwungen, langsam und ruhig zu sprechen.“
Und fort war er.
Der schwere Mann aus London plumpste jetzt auf Selek Beis
Platz in der Eckbank und stöhnte: „Ich kann nicht verstehen das!“
Timm hatte zuerst einfach sagen wollen, daß der Baron gelogen
habe. Aber das Gespräch mit Senhor van der Tholen, über das er viel nachgedacht hatte, kam ihm in den Kopf. Und das brachte ihn auf
einen Gedanken.
„Mister Penny“, sagte er, „Sie wissen doch sicher, daß ich eine
Menge Stimm-Aktien erbe, wenn ich einundzwanzig bin.“
„Yes“, schnaufte es in der Eckbank.
„Wenn ich Ihnen nun in einem Vertrag verspreche, daß Sie diese
Aktien bekommen, sobald ich einundzwanzig bin, würden Sie mir
dann jetzt schon Ihre Aktien der Hamburger Reederei dafür geben?“
Mister Penny saß sehr still in der Ecke. Nur die Augen kniff er ein wenig zusammen. Timm hörte ihn schwer atmen. Die Frage, die der
Engländer stellte, klang wie in Keuchen: „Das ist keine Trick, Mister Thaler?“
„Nein, Mister Penny. Ich meine es genau so, wie ich es gesagt
habe.“
„Dann schließen Sie ab
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