Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
Vom Netzwerk:
Apparat. Er bat Timm, um
    fünf Uhr den Tee mit ihm einzunehmen. Im Roten Pavillon.
    Timm sagte: „Gut, Baron!“ Und frühstückte weiter. Dabei
    überlegte er, was Lefuet wohl für ein Anliegen haben möge. Bisher war der Baron einfach hinauf ins Turmzimmer gekommen, wenn er
    den Jungen hatte sprechen wollen. Es mußte also einen ganz
    besonderen Grund für das Treffen im Pavillon geben.
    Beim Mittagessen, das täglich um Punkt ein Uhr durch einen
    Gong angekündigt wurde und zu dem Timm über eine schön
    geschwungene geschnitzte Treppe zum Speisesaal ins Erdgeschoß
    hinunterging, beim Mittagessen also sagte der Baron nichts über die Einladung zum Tee, obwohl der Junge neben ihm saß.
    Selek Bei, der gewöhnlich erst am Nachmittag in das Schloß kam,
    war diesmal schon da und aß mit. Timm hatte den Eindruck, daß an
    diesem Morgen eine wichtige Besprechung stattgefunden hatte. Aber die Herren schwiegen sich darüber aus. Es war überhaupt das
    schweigsamste aller Mittagessen im Schloß.
    Den Nachmittag pflegte man auf den Zimmern zu verbringen.
    Timm, in dessen Zimmer eine kleine deutsche Bibliothek stand, las meistens. Am liebsten waren ihm die rotbraunen Leinenbände im
    untersten Regal, die Werke von Charles Dickens. Er verschlang die Romane über arme unglückliche Kinder wie die Bienenstiche von
    Frau Bebber. Aber vor dem glücklichen Ende einer Geschichte
    fürchtete er sich jedesmal. Drei Romane hatte er einfach nicht
    weitergelesen, weil er merkte, daß die Handlung auf einen
    glücklichen Ausgang zusteuerte.
    Dieser regnerische Nachmittag nun war wie geschaffen für das
    Lesen trauriger Romane. Aber Timm las diesmal nicht. Er saß in der Eckbank am Fenster, starrte in das graue Tal hinaus, über dem der Regen gleichmäßig niederrauschte, und versuchte, die Pläne der
    Nacht in sein Gedächtnis zurückzurufen. Aber sein Kopf war wie
    entleert. Er konnte nicht denken. Er sah nur den Regen und die
    traurigen Hunde auf der Treppe und die geschlossene Kutsche, die
    jeden Nachmittag mit frischen Lebensmitteln von Mosul kam.
    Kurz vor fünf Uhr kam der junge Diener mit einem Regenschirm
    ins Zimmer und machte Miene, Timm zum Roten Pavillon zu
    begleiten. Aber der Junge nahm ihm den Schirm ab und machte
    durch Zeichen verständlich, daß er allein gehen werde.
    Dann zog er einen leichten Regenmantel an (sie hatten ihn auf
    dem Markt von Athen gekauft) und verließ sein Turmzimmer.
    Oberhalb der Treppe stand Selek Bei. Er begrüßte Timm mit
    einem Handschlag und drückte ihm dabei einen Füllfederhalter in die Hand. Obwohl niemand in der Nähe war, tat Selek Bei es sehr
    heimlich. Dabei flüsterte er: „Unterschreibe hiermit.“
    Ehe Timm etwas fragen konnte, war der Alte wieder
    verschwunden. Der Junge ließ den Füllhalter in eine Tasche gleiten, stieg die Treppe hinunter und ging durch die Halle auf die große
    Schloßtür zu, die ein alter Angestellter ihm öffnete.
    Aber bevor Timm hinaustreten konnte in den Regen, rief jemand:
    „Einen Augenblick, Herr Thaler!“
    Hinter einer Säule trat Senhor van der Tholen vor. Er winkte dem
    alten Diener, sich zu entfernen, und fragte dann halblaut: „Haben Sie es sich überlegt, Herr Thaler? Sie versprechen mir Ihre Stimm-Aktien. Ich schenke Ihnen dafür ein großes Unternehmen.“
    Fast hätte Timm gesagt: „Ich habe das Geschäft schon mit Mister
    Penny gemacht.“ Aber dieser traurige regnerische Nachmittag hatte wenigstens den einen Vorteil, daß er die Gedanken träge machte. So überlegte Timm erst, ehe er eine Antwort gab; und diese Antwort
    lautete klugerweise: „Ich kann das Geschäft nicht mit Ihnen machen, Senhor van der Tholen.“
    „Schade“, sagte der Portugiese mit unbewegtem Gesicht. Mehr
    nicht. Dann wollte er gehen, besann sich aber noch einmal und sagte:
    „Kommen Sie uns wenigstens bei den Margarineplänen entgegen,
    Herr Thaler.“ Dann ging er endgültig.
    Timm wußte sich keinen Reim auf die beiden Begegnungen zu
    machen. Zuerst der geheimnisvolle Füllfederhalter von Selek Bei
    und nun Senhor van der Tholens unerklärliche Bemerkung über
    Timms Mitwirkung an Margarineplanen.
    „Fehlt nur noch, daß mir auch Mister Penny über den Weg läuft“,
    dachte Timm.
    Und er tat es.
    Als der Junge unter dem Regenschirm die Schloßtreppe
    hinabging, stand Mister Penny – ebenfalls regenbeschirmt – neben
    einem triefenden steinernen Windhund.
    „Bitte absolute Stillschweigen über unsere kleine Vertrag von
    yesterday, ich meine: von

Weitere Kostenlose Bücher