Timm Thaler
ergänzte lebhaft: „Wenn man in einem von Räubern geplagten
Lande die Räuber zivilisiert, Selek Bei, hat man schon einen großen Fortschritt erzielt. Später, wenn das Land dank unserer Mithilfe zu einem Lande mit Recht und Ordnung geworden ist, werden natürlich
auch unsere Verkaufsmethoden absolut gesetzlich.“
„Dasselbe“, antwortete Selek Bei ruhig, „erklärten Sie mir, als wir über die menschenunwürdigen Löhne in den Zuckerrohrplantagen
eines gewissen südamerikanischen Landes sprachen. Jetzt hat dieses Land mit Hilfe unseres Geldes einen Dieb und Mörder zum
Präsidenten, und die Verhältnisse sind noch schlimmer geworden!“
„Aber diese President achten die Religion“, warf Mister Penny
ein.
„Dann ist mir ein menschlicher Präsident ohne Religion lieber“,
brummte Selek Bei.
Jetzt ergriff Senhor van der Tholen zum erstenmal das Wort:
„Meine Herren, wir sind doch einfache Kaufleute, die mit der Politik nichts zu tun haben. Hoffen wir, daß die Welt sich bessert, damit wir alle wie gute Freunde Handel treiben können. Und kommen wir zur
Hauptsache: zur Butter.“
„Vielmehr zur Margarine“, verbesserte der Baron lachend und
fing sofort an, einen langen Vortrag zu halten, der seinen Reden im Flugzeug glich. Er sprach nicht wie ein freundlicher Händler,
sondern wie ein Kriegsherr, der seine Feinde – die anderen
Butterhändler – in den Staub schmettern will.
Timm hörte nur mit halbem Ohre zu. Ihm schwirrte der Kopf. Er
fragte sich, warum man in Afghanistan oder Südamerika überhaupt
Geschäfte machen mußte, wenn es nur auf so häßliche Weise
möglich war. Er wünschte sich das Königreich des Barons nicht
mehr. Er bekam Angst vor Geschäften. Selbst der Bäckerladen der
dicken Frau Bebber war ihm jetzt nicht mehr ganz geheuer.
Aber der Junge mußte noch eine Weile mit den Wölfen heulen;
denn jetzt fiel ihm zum Glück wieder sein eigenes wichtiges
Geschäft ein: der Handel um sein Lachen.
Der Baron forderte den Jungen auf, alles zu wiederholen, was er
ihm im Flugzeug über den Verbrauch von Margarine in seiner Gasse
erzählt hatte.
Timm tat es, und dann herrschte eine Weile Schweigen im
Beratungszimmer.
„Uir haben uirklich su uenig auf Margarine geachtet“, murmelte
Mister Penny.
„Dabei ist unser Geschäft groß geworden durch die Kleinigkeiten,
die die armen Leute brauchen“, ergänzte Senhor van der Tholen.
„Wir haben den Margarinemarkt sträflich vernachlässigt. Man müßte ihn irgendwie völlig neu organisieren.“
Timm, der wieder ruhiger geworden war, sagte jetzt: „Ich habe
mich immer darüber geärgert, daß die Leute ihre Butter schön
verpackt in Silberpapier bekamen, während man unsere Margarine
aus dem Faß kratzte und in billiges Papier klatschte. Wir könnten doch den armen Leuten die Margarine auch schön verpackt
verkaufen. Geld haben wir ja genug.“
Die vier Herren starrten den Jungen verblüfft an und brachen
plötzlich wie auf Kommando in schallendes Gelächter aus.
„Herr Thaler, Sie sind unbesahlbar!“ rief Mister Penny.
„Wir hatten die Lösung vor Augen und sahen sie nicht“, lachte
der Baron. Sogar Senhor van der Tholen war aufgesprungen und
starrte Timm wie ein Wundertier an.
Der alte Selek Bei war noch am ruhigsten. Deshalb fragte Timm
ihn, was denn an seinem Vorschlag so Besonderes gewesen sei.
„Mein lieber junger Herr“, sagte der Greis feierlich. „Sie haben
soeben die Marken-Margarine erfunden.“
Vierundzwanzigster Bogen
Ein vergessener Geburtstag
Was es mit der Marken-Margarine auf sich hatte, begriff Timm
langsam an den beiden folgenden Tagen; denn man sprach im Schloß
über fast nichts anderes mehr. Selbst die Dienerschaft schien auf arabisch und kurdisch von Margarine zu flüstern.
Die Sache war so: Butter wurde seit langer Zeit schon hübsch
verpackt und mit einem Namen verkauft. In Deutschland gab es zum
Beispiel die „Deutsche Landbutter“ und die „Deutsche
Markenbutter“, in Holland gab es die „Nederlandse Botter“. Ein
Kaufmann, der damit ein Geschäft machen wollte, mußte sich mit
den Molkerei-Genossenschaften gut stellen. Und die Baron-Lefuet-
Gesellschaft hatte leider mit den drei größten Molkerei-
Genossenschaften Krach bekommen. Nun gaben Tausende kleiner
Molkereien ihre Butter nur noch an eine andere Gesellschaft ab, die die Butter überdies billiger verkaufte als der Baron.
Mit der Margarine war es anders. Die gab es nicht verpackt
Weitere Kostenlose Bücher